Athemen

[457] Athemen, oder Athem, verb. reg. 1. Neutrum, welches mit dem Hülfsworte haben verbunden wird, Athem hohlen, und ausstoßen, doch mehr in der edlern und höhern Schreibart, als im gemeinen Gebrauche. Wie pocht mir das Herz! Es ist mir so zusammen gepresset, daß ich kaum athmen kann, Weiße.


Ihr Busen athmet schwer von pressendem Verlangen,

Wiel.


Figürlich, leben.


Orestes athmet noch, und wünschte nicht zu leben,

Schleg.


2. Activum. 1) Mit dem Athem in sich ziehen.


Warum athmet ihr nicht die frischesten Düfte der Rosen

Und die reineste Luft voll aromatscher Gerüche?

Zachar.


Figürlich, genießen. Hier wohnet die sichere Ruh, hier athmet man nichts als Frieden. In einem Alter, wo man sonst nur Vergnügen athmet.


Wo bin ich, o Himmel

Ich athme noch Leben!

Raml.


2) Vermittelst des Athems mittheilen. Laß mich meine Seele noch in die deinige athmen, Weiße. 3) Ausdünsten, verbreiten; nach einer fast zu harten Figur. Hier athmen die Blumen die süßesten Gerüche. Schlüpfrige Stücke, die statt der Liebe Wollust athmen.

Anm. Athemen lautet bey dem Notker geatemen, und in der Mitte des 15ten Jahrhunderts in Oberdeutschland geatem und[457] auhtmen. In Boxhorns Glossen wird atmizit durch anhelat gegeben. Das Activum äthemen ist nur der Zusammensetzung abäthemen gebräuchlich, so wie das Adjectivum athemig nur zuweilen in kurzathemig und schwerathemig gehöret wird.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 457-458.
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