Ätzen

[461] Ätzen, verb. reg. act. welches heutiges Tages in gedoppelter Gattung üblich ist.

I. Als ein Activum. 1) Für speisen, zu essen geben, in welcher Bedeutung es noch 2. Sam. 13, 5. vorkommt: laß meine Schwester Thamar kommen, daß sie mich ätze. Jetzt gebraucht man es nur noch von den Vögeln, in engerer Bedeutung, wenn ihnen das Futter in den Schnabel gelegt wird. So werden die jungen Vögel so wohl von ihren Alten, als auch von Menschen geätzet. Indessen singt doch noch Hagedorn:


Der alles sucht und wählt, was Tellerlecker ätzet.


Ingleichen, durch Futter locken, ätzen und anätzen. Ein Thier ätzen, bey den Jägern. S. auch Anaßen. 2) Durch Säuren oder fressende, besonders flüssige Körper andere feste Körper wenigstens zum Theil auflösen lassen, beitzen. In diesem Verstande wird ätzen am häufigsten bey den Kupferstechern gebraucht, wenn sie Zeichnungen in das Kupfer ätzen, d.i. durch Scheidewasser einfressen lassen, welches sie mit einem fremden Kunstworte auch radiren zu nennen pflegen.

II. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, für essen oder fressen. In dieser Bedeutung kommt es größten Theils nur noch bey den Jägern vor, welche es von den Raubthieren gebrauchen, dagegen sie von dem Rothwildbrete äßen, oder sich äßen sagen. Auch in dem eben nicht sehr gewöhnlichen Beyworte urätzig hat ätzig diese mittlere Bedeutung. S. dieses Wort.

Anm. Ätzen ist das Intensivum von aßen, so fern es ehedem das Activum von essen war, und speisen bedeutete. In dieser thätigen Bedeutung kommt azan und azzan schon bey dem Notker und noch ältern Schriftstellern vor; dagegen essen bey dem Kero und den folgenden Schriftstellern ezzan lautet. Die Oberdeutschen Mundarten sprechen es in der ersten Bedeutung nach ihrer Art auch atzen aus, wobey es oft gedehnet wird, als wenn es aatzen geschrieben wäre. Aichinger unterscheidet äzen oder azen, escare, ohne Grund von ätzen, oder etzen, scalpere. Ätzen bedeutet beißen oder essen machen, es mag nun solches eigentlich, oder figürlich durch Säuren geschehen, so wie beitzen beissen machen bedeutet.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 461.
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