Ausbrechen

[577] Ausbrêchen, verb. irreg. ( S. Brechen,) welches in doppelter Gattung üblich ist.

I. Als ein Activum.

1. Durch Zerbrechen heraus bringen, so wohl eigentlich, als auch in verschiedenen weitern und figürlichen Bedeutungen. Einen Zahn ausbrechen. Einen Kern ausbrechen, aus der Schale brechen. Einen Faden ausbrechen, bey den Webern, ihn, wenn er in dem Aufzuge an einen unrechten Ort gezogen ist, abreißen und an den rechten Ort bringen. Äste, Früchte ausbrechen, bey den Gärtnern, untaugliche oder überflüssige Äste und Früchte an einem Baume abbrechen, damit die übrigen desto besser wachsen. Ingleichen metonymisch, einen Baum ausbrechen, ihn von den überflüssigen Ästen und Früchten befreyen. Die Bienen ausbrechen, sie tödten, und das Werk und Honig ganz heraus nehmen; mit einem alten Kunstworte zeideln. Die gar gemachten Felle ausbrechen, bey den Weißgärbern, sie auf einem Eisen ausstrecken, ihre Geschmeidigkeit zu vermehren, welches auch stollen genannt wird. Die Brauer brechen Bier oder Wasser aus, wenn sie aus der Pfanne oder dem Bottige in die Rinnen schöpfen. Bey den Jägern bedeutet es so viel als auswühlen, und die Landwirthe gebrauchen es absolute von den Schafen und Pferden, wenn sie die letzten Füllen- oder Lämmerzähne verlieren, welches zwischen dem vierten und fünften Jahre zu geschehen[577] pfleget. Bey den Pferden nennet man dieses Ausbrechen auch schieben, abschieben.

2. Im Erbrechen von sich geben, im gemeinen Leben. Daher die Ausbrechung.

II. Als ein Neutrum, welches das Hülfswort seyn erfordert.

1. Ausgebrochen werden. Der Zahn ist ausgebrochen. Der Damm brach an zwey Orten aus.

2. Aus einem Orte brechen, sich mit Gewalt aus einem Orte befreyen. Der Verhāftete ist ausgebrochen. Noch mehr aber reciproce, sich ausbrechen. Der Gefangene hat sich ausgebrochen. In dem Bergbaue bedeutet ausbrechen so viel als auslenken, auf einem überfahrnen Gange weiter fortbrechen. Rechts oder links ausbrechen, bey den Fuhrleuten, aus dem Geleise biegen. Von dem rechten Wege ausbrechen, abkommen.

3. Den Augen auf eine unerwartete Art merklich werden, schnell hervor kommen. 1) Eigentlich. Das Feuer bricht aus. Es ist in unserer Nachbarschaft ein Feuer ausgebrochen. Die Blattern sind bereits an dem Kinde ausgebrochen. Der Schweiß brach ihm aus. Mir bricht der Angstschweiß hierüber aus. Die Freude brach mit großem Ungestüme aus. Wie oft haben wir nicht Gelegenheit zu hassen, ohne diesen Haß ausbrechen zu lassen! Es ist meine größte Wollust, die Regungen des Vergnügens bey andern ausbrechen zu sehen, Gell. 2) Figürlich, dem Gehöre auf eine schnelle und lebhafte Art merklich werden. (a) Lautbar werden, kund werden. Es ist endlich ausgebrochen, wer es gethan hat. Es ist ein Geschrey (Gerücht) ausgebrochen. Wie glücklich schätzte ich mich, wenn endlich dein Geheimniß ausbrach! Dusch. (b) In etwas ausbrechen, es lebhaft von sich hören lassen. Er brach in ein lautes Gelächter aus. In lauter Klagen und argwöhnische Beschwerden ausbrechen. Sein Zorn brach in laute Schmähungen aus. Er brach in diese Worte aus.

Anm. In dieser letzten Bedeutung hat ausbrechen alle Mahl den Begriff einer heftigen Gemüthsbewegung bey sich, die sich durch Worte und Töne an den Tag legt. Ausbrechen absolute, für sprechen, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich, ob es gleich in Schlesien und Oberdeutschland üblich zu seyn scheint.


So geht es, brach er aus, was fremd ist, muß stets gelten,

Günth.


Der Herr, so brach er oftmahls aus,

Verdient allhier ein ewig Haus,

Günth.


Es hängt in dieser Bedeutung mit sprechen genau zusammen, so wie es in der Bedeutung des Entstehens zu brechen, glänzen, scheinen, gehöret. Allein beyde Verba sind vermuthlich nur figürliche Bedeutungen von brechen frangere, so fern es ursprünglich eine Onomatopöie ist. S. Brechen und Sprechen. Ausbrechen, für sich ausbreiten: Denn du wirst ausbrechen zur Rechten und zur Linken, Es. 54, 3, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 577-578.
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