Beugen

[954] Beugen, verb. reg. act. aus der geraden Richtung durch Drücken oder Dehnen in eine krumme bringen, die äußersten Puncte der[954] Länge eines Körpers durch Drücken einander nähern. 1. Eigentlich. Der Baum beuget sich. Einen Reif beugen. Sich vor jemanden beugen, im gemeinen Leben bücken. Die Kniee vor Gott beugen. Einem den Nacken beugen, figürlich seinen Eigensinn brechen, ihn zum Gehorsam bringen.


So wie die Rosen vom Nordwind gebeugt,

Zachar.


Das durch eignes Verdienst der musicalischen Lorber

Um die Schläfe sich beugt,

Zachar.


Das Alter beugte schon den abgelebten Rücken,

Zachar.


Und wenn sie im Schlummer

Ihren Geliebten noch sieht, beugt sie sich über sein Antlitz,

Zachar.


In dieser eigentlichen Bedeutung ist beugen nur im Oberdeutschen und der edlern und höhern Schreibart der Hochdeutschen üblich. Im gemeinen Leben der letztern vertritt biegen dessen Stelle.

2. Figürlich. 1) Das Recht beugen, ungerecht verfahren, von dem Richter.


Beugt ungescheut das Recht,

Haged.


Der Gebrauch Hiob 36, 18: Siehe zu, daß – – groß Geschenk dich nicht gebeuget habe, dich nicht bewogen habe, das Recht zu beugen, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich. 2) Demüthigen. Sich unter Gott beugen, Hiob 9, 13. Schaue die Hochmüthigen, wo sie sind, und beuge sie, Hiob 40, 7.


Der Spröde bändigte, Hochmüthige gebeugt,

Zachar.


Schreckendes Grab, du letzte Behausung für Götter im Leben,

O wie beugst du den träumenden Stolz!

Zachar.


So oft der Herr der Wasser und der Erden

Die Krämer beugt, daß sie nicht Fürsten werden,

Haged.


3) Kränken, demüthigenden Gram, schwere Sorgen verursachen. Meine Tochter wie beugest du mich! Die Last irdischer Sorgen, die deine Seele beugen, Dusch.


Sorgen, die allein gesalbte Häupter beugen,

Haged.


So auch die Beugung, von der Handlung des Beugens. S. auch Beuge, Biege, Bug.

Anm. 1. Dieses eigentlich Oberdeutsche Zeitwort ist, wie schon bemerkt worden, in der eigentlichen Bedeutung im Hochdeutschen nur in der höhern Schreibart üblich. In den figürlichen Bedeutungen wird es allein, biegen aber niemahls gebraucht. Einige Sprachlehrer haben das Latein. flectere, d.i. das Verändern der Wörter am Ende, durch beugen ausdrucken, und dieses Zeitwort alsdann irregulär, wie biegen abwandeln wollen. Allein der Ausdruck ist unbequem und die irreguläre Abwandelung hier sehr willkürlich.

Anm. 2. Beugen lautet im Gothischen buga, bey dem Notker bougan und kebougan, im Angels. bugan, bygan, im Engl. to bow, im Holländ. buygen, im Schwed. buga, im Dän. boye, Nieders. bögen, Latein. pago, pango, Griech. παγω, πƞγνυω, Ital. piegare. S. auch Biegen. Übrigens ist die Familie dieses alten Wortes sehr groß, indem außer den schon oben angeführten Substantiven auch Bauch, Bühel, Buckel nebst andern dahin gehören.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 954-955.
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