Blüthe (2), die

[1095] 2. Die Blüthe, plur. die -n, von dem Verbo blühen. 1. Der Zustand, da eine Pflanze blühet; ohne Plural. 1) Eigentlich. Die Lindenbäume stehen schon in der Blüthe. Ingleichen die Zeit, wenn eine gewisse Gattung von Gewächsen blühet. In der Lindenblüthe, in der Baumblüthe, in der Kornblüthe, in der Nelkenblüthe. Von der Blüthe solcher Gewächse, welche vornehmlich um ihrer angenehmen Blumen willen geschätzt werden, ist das ausländische Flor beynahe üblicher. Der Tulpenflor, Nelkenflor u.s.f. S. dieses Wort. 2) Figürlich, derjenige Zustand einer Sache, da sie viel Gutes von sich hoffen lässet, ein erwünschter Zustand. Sein Glück steht noch in der Blüthe. Meine schönsten Hoffnungen haben sie in ihrer Blüthe verheeret, von Brawe. In der Blüthe seines Alters, in der Blüthe seiner Jahre, d.i. in der Jugend.


So unrühmlich fällst du dahin in der Blüthe des Lebens,

Zachar.


2. Die zur Befruchtung und Fortpflanzung der Pflanzen gehörigen Theile selbst, nach ihrer ersten Entwickelung. 1) Eigentlich, in welcher Bedeutung dieses Wort bey den Schriftstellern des Pflanzenreiches von den Blumen aller Arten des ganzen Pflanzenreiches gebraucht wird. Männliche Blüthen, welche nur allein Staubfäden und keine Staubwege haben. Weibliche Blüthen, in welchen sich nur allein Staubwege und keine Staubfäden befinden. Zwitterblüthen, die beydes haben. Im gemeinen Leben gebraucht man dieses Wort nur in engerer Bedeutung von solchen Blüthen, die man wegen ihrer Farbe und Geruches keiner besondern Achtung werth hält, im Gegensatze der Blumen in engerer Bedeutung. S. dieses Wort. Und alsdann wird es so wohl als ein Collectivum von allen Blumen eines Gewächses oder ihrer Art, ohne Plural, als auch von einzelnen Blumen, mit dem Plural, gebraucht. Die Kirschblüthen sind abgefallen. Taube Blüthen, auf welche wegen Frostes, Mehlthaues u.s.f. keine Frucht folget. 2) Figürlich. (a) Eigenschaften, Umstände,[1095] von welchen man viel Gutes hoffet, in der höhern Schreibart. Auch du weißt noch den schwarzen Tag, der die Blüthen unserer Hoffnung zu Grunde richtete, Weiße.


Hier, wo der Hoffnung Blüthen

Ein jäher Frost erstickt,

Weiße.


(b) Das Beste einer Sache, gleichfalls nur in der höhern Schreibart. Mitten in einem Thale bricht er sich die Blüthe aller Vergnügungen ab. (c) Im Bergbaue heißt angesetztes Erz, welches eine zarte krystallinische Gestalt hat, gleichfalls Blüthe, und wenn es einen dichten Körper vorstellet, wird es derbe Blüthe genannt. (d) Zuweilen führet diesen Nahmen auch die monathliche Reinigung des andern Geschlechts, S. Blut, Anm.

3. Dasjenige Gewächs selbst, welches vorzüglich um seiner Blüthe willen geschätzet wird. In dieser Bedeutung wir nur der Spanische oder blaue Hohlunder, Syringa, L. in einigen Gegenden, z.B. in Thüringen, blaue Blüthe genannt, S. Hohlunder.

Anm. Die ältesten Fränkischen und Schwäbischen Schriftsteller scheinen unter Blume und Blüthe keinen Unterschied gemacht zu haben. Bey dem Ottfried ist bluat eine Blume. Bey dem Willeram lautet dieses Wort bluod, und die Dichter des Schwäbischen Zeitalters gebrauchen es zuweilen im männlichen Geschlechte.


Vns kumt aber ein lichter meie

Der machet manig herze frout

Er bringet bluomen mangerleye

Wer gesach ie suesser bluot,

Marggraf Otto von Brandenburg.


In dem alten Gedichte auf den heil. Anno lautet dieses Wort schon Blüd, und in dem 1483 zu Augsburg gedruckten Buche der Natur wird der plüde der bäume gedacht. Die heutigen Oberschwaben sprechen dieses Wort noch Blüat, die Niedersachsen Bloite, und manche Obersachsen die Bluth, aus. Es ist das Abstractum von dem Verbo blühen, gleichsam Blühde, wie Zierde, Geberde, Begierde u.a.m. Statt des d ist im Hochdeutschen das th hergebracht, welches in mehrern Stellen das d vertritt, und das man also nicht um sein h bringen darf. Um den Übelstand zweyer so nahe auf einander folgender h zu vermeiden, hat man das h des Verbi weggeworfen, und so ist aus Blühde oder Blühthe unser heutiges Blüthe geworden. Übrigens ist statt dieses Wortes im Oberdeutschen auch die Blühe, die Blust, die Blussem und das Blust üblich, welche mit dem Angels. Blosma, Blostin, dem Engl. Blossom, dem Holländ. Bloessem, und dem Latein. Flos überein kommen, und nur verschiedene Formen und verschiedene Mundarten eines und eben desselben Wortes sind. S. Blitz, Blöde, Blühen, Blume und Blut.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1095-1096.
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