Ch

[1319] Ch, ein aus c und h zusammen gesetzter Buchstab, welcher aber doch nur einen einfachen Laut bezeichnet, der stärker hauchet als g, und in der Aussprache in den meisten Fällen dem Griech. χ und Hebr. ח gleichet. Daß der Laut, von welchem das ch das Zeichen ist, kein Doppellaut ist, erhellet unter andern auch daher, weil der vorher gehende Vocal durch denselben nicht geschärft wird; denn in Tuch, Fluch, suchen, hoch, u.s.f. ist er gedehnt, welches der Regel nach nicht seyn könnte, wenn das ch ein gedoppelter Buchstab wäre. Was nun,

I. Die Aussprache dieses Buchstaben betrifft, so hat derselbe einen doppelten Laut.

1. Sein eigenthümlicher Laut ist ein starker Hauch, der unserer heutigen Aussprache des Latein. ch und Griech. χ gleich ist, aber doch einen doppelten Unterschied in der Stärke und Schwäche leidet.

1) Gehet ein geschärfter Vocal vorher, so wird das ch stärker gebraucht, oder es wird doppelt ausgesprochen: Loch, Pech, Geruch, ruchlos, rechnen, Dach, Stich, Strich u.s.f. Welches besonders in der Mitte eines Wortes, wenn ein Vocal darauf folget, merklich wird, wie in sprechen, brechen, lachen, Sache, Gerüche, Löcher, pichen, Striche, Rechen, welche so ausgesprochen werden, als wenn sie sprechchen, brechchen u.s.f. geschrieben würden. Die Bey- und Nebenwörter auf -lich scheinen hier eine Ausnahme zu machen, besonders wenn der Ton auf der nächsten Sylbe vorher lieget, da denn das ch nur einfach lautet, wenn gleich das i geschärft ist: bildliche Vorstellungen,[1319] freundliche Reden, täglicher Umgang, weibliche Schwachheiten. Es rühret dieses indessen bloß daher, weil das i in diesen Fällen unbetont ist, daher die Zunge schnell über die ganze Sylbe wegeilet; denn wenn der Ton auf der zweyten Sylbe vorher liegt, so ist die doppelte Aussprache des ch merklich genug, veränderliches Herz, fürchterliche Vorstellungen abenteuerliche Gedanken, weil alsdann doch ein halber Ton auf die Sylbe lich kommt.

2) Ist aber die vorher gehende Sylbe gedehnt, so wird das ch gelinder oder einfach ausgesprochen. Gesuch, suchen, Fluch, fluchen, die Büche, das Buch, brach, die Brache, hoch, Kuchen, ich sprach, die Sprache, das Tuch, die Tücher, der Brauch, der Bauch, hauchen, räuchern, Schläuche, Teich, Streich, und tausend andere unterscheiden sich in der Aussprache von den vorigen sehr merklich; ob es gleich Mundarten gibt, die in diesen Wörtern nur einen geschärften Vocal kennen. Denn so sprechen die Schlesier Büchcher, fluchchen, Kuchchen, u.s.f. mit einem kurzen u.

2. Hingegen lautet es in manchen Fällen auch nur wie ein bloßes k. Diese Fälle sind,

1) Wenn sie zu Anfange eines ursprünglich Deutschen Wortes stehet, deren aber heut zu Tage nur noch sehr wenige sind. So wird es in Chur, Churfürst, Charfreytag, Charwoche wie ein k gesprochen. Dieser Aussprache folget man auch gemeiniglich in vielen fremden Wörtern, ungeachtet sie in der Sprache, aus welcher sie entlehnet sind, ein Ch oder χ haben, wie in Christ, Christus, Chronik, Charte, Charakter, Cherub, Chrisam, Chor, Chaldäa, Chalcedon u.s.f. die man gemeiniglich so ausspricht, als wenn sie mit einem K geschrieben wären; dagegen die Aussprache in andern, als China, Chamit, Chaos, Chymie u.s.f. dem eigenthümlichen Laute des ch getreuer geblieben ist.

2) Wenn ein s darauf folget, welches zu eben demselben Stammworte gehöret; wie in Dachs, Lachs, Fuchs, Flachs, Flächse, Achse, Achsel, Ochs, Wachs, sechs, Büchse, Buchsbaum u.s.f. welche im Hochdeutschen Daks, Laks, Fuks u.s.f. lauten. Gehöret aber das s nicht mit zu eben dem Stammworte, so behält das ch seine gewöhnliche Aussprache, wie in nachsehen, wachsam, Dachspäne u.s.f.

Aus dieser unserer Aussprache des chs erhellet unter andern sehr deutlich, daß die Hochdeutsche Mundart das Mittel zwischen der Alemannischen und Sächsischen hält. Die Alemannische spricht alle diese Wörter mit dem ch eigenen starken Hauche aus; die Hochdeutsche hat dafür das gelindere k, und die Niedersächsische lässet es gar weg; denn da lauten diese Wörter Laß, Voß, Flaß, Asse, Os, Waß, söß, Büsse u.s.f. Man könnte,

3. Noch die Aussprache wie sch beyfügen, die aber nur in eigentlich Französischen Wörtern Statt findet, deren aber doch nunmehr sehr viele im Deutschen gangbar sind, wie Charlotte, Chaluppe, Chagrin, Champignon, Champagner u.s.f. welche Scharlotte, Schaluppe u.s.f. gesprochen werden müssen.

II. Da das ch das Zeichen eines einfachen Lautes ist, folglich so wohl nach gedehnten als nach geschärften Vocalen stehen kann, so sollte es in dem letztern Falle auch, wenn es nehmlich nach einem geschärften Vocale in einer und eben derselben Sylbe allein stehet, verdoppelt werden, wie bey andern Consonanten üblich ist. Man sollte schreiben Stichch, stechchen, Dachch, Löchcher, wie man schreibt still, stellen, Bitte, müssen. Allein da das Zeichen schon aus zwey Buchstaben zusammen gesetzt ist, so würden vier Buchstaben hinter einander zur Bezeichnung eines einzigen verdoppelten Lautes das Auge beleidigen; daher hat man bey dem ch, und aus eben dem Grunde auch bey dem sch, diese Verdoppelung von jeher unterlassen, so daß man die Schärfe oder[1320] Dehnung des vorher gehenden Vocales bloß aus der Übung erlernen muß. Das macht nun

III. Bey der Abtheilung der Sylben einige Schwierigkeiten. Zwar nicht nach gedehnten Vocalen, denn da theilet man sehr richtig Flü-che, su-chen, Bü-cher, wie man theilet Lie-be, versü-ßen, tra-gen; wohl aber nach geschärften, wo es doppelt lauten muß, und wo man zweifelhaft seyn kann, ob man es zur vorher gehenden oder zur folgenden Sylbe ziehen soll, ob man z.B. lach-en, oder la-chen theilen soll. Man theile, wie man will, so geschiehet der Aussprache Gewalt, weil das ch nicht verdoppelt werden darf. Der schicklichste Ausweg ist hier indessen doch der, daß man es bey der vorher gehenden Sylbe läßt, lach-en, weil die Aussprache dabey mehr gesichert ist, als wenn man la-chen theilt, indem das ch hier dem Auge zu weit entrückt und bis an den Anfang der folgenden Zeile geworfen wird. Mehr davon S. in der Orthographie. Was nun,

IV. Die Geschichte dieses Buchstabens betrifft, so ist das Vornehmste davon schon bey dem Buchstaben C bemerket worden. Die Lateiner erfanden schon das ch, das Griechische χ auszudrucken. Die Deutschen, die ihre Buchstaben von den Römern bekamen, behielten es bey, weil sie eben denselben Hauchlaut hatten. Den häufigsten Gebrauch davon machten die Alemannen, weil sie unter allen Deutschen am stärksten hauchten. Indessen wurde der eigentliche Laut, den das ch in der Mitte der Wörter und am Ende noch jetzt hat, anfänglich nicht durch ch, sondern entweder durch ein bloßes h oder durch hh ausgedruckt. Kero schreibt duruh, durch, foraht, Furcht, rihh, Reich, sleht, schlecht, iohh, euch, puah, Buch, ambaht, Ambacht, cernlihho, gernlich, cuatlihho, gütlich; und Ottfried fehtan, fechten, thih, dich, ouh, auch, thoh, doch, sprah, sprach, sleihan, schleichen, thahta, dachte, sulih, solch. Doch hat der letztere schon iagilich, jeglich, buachar, Bücher, sechszug, sechzig, uuelicheru, welcher, licham, Leichnam. Desto häufiger gebrauchten die Oberdeutschen das ch anstatt unsers heutigen k, weil sie hier alle Mahl einen stärkern Hauch hören ließen, wie die heutigen Oberschwaben noch thun. Daher schreibt Kero achustio, chind, uuerach, Werk, chuning u.s.f. Die Frauken, ein Stamm der Niedersachsen, führeten in diesen Fällen nach und nach das k ein, weil es ihrer Aussprache gemäßer war, und die Hochdeutschen haben das ch, bis auf einige wenige oben angeführte Fälle, nun mehr völlig von der Verbindlichkeit los gesprochen, das k vorzustellen. In den eigentlichen Oberdeutschen Mundarten hingegen behielt man es noch lange bey, weil man daselbst so schrieb, wie man sprach. Daher findet man noch bey dem Hornegk chlaine, Chunst, Chayser, chain, Chraft, chommen, churcz, Chnecht, chraczen, Chern, chunt u.s.f. und ein heutiger Oberschwabe würde noch eben so schreiben müssen, wenn er seiner Aussprache getreu bleiben wollte.

Die Niedersächsische Mundart gebraucht das ch zu Anfange der Sylben gar nicht, außer in einigen Fällen in dem sch, am Ende aber sehr sparsam, weil sie unter allen Deutschen Mundarten am wenigsten haucht. Sie liebt dafür das k; striken, für streichen, sliken, für schleichen, Book, für Buch, Buuk, für Bauch, söken, für suchen. Doch hat sie es in einigen, obgleich nur wenigen Wörtern, wohin Acht, Berathschlagung, und acht, octo, Schecht, ein Schaft, Lucht, Luft, sacht, schichten, achter, nach, und andere mehr gehören. S. auch Sch.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1319-1321.
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