Ei

[1660] Ei, ein Doppellaut, welcher so ausgesprochen werden muß, daß man in dessen ersten Hälfte ein deutliches e höret. Bein, mein, dein, Leib, bleiben. Die Oberdeutsche Aussprache weicht hiervon sehr ab, indem die rauhern Mundarten derselben statt des ei ein ai, und wohl gar ein oi und oa hören lassen, Bain, main, Stain, Laid, koi für kein, Boan, Stoan, für Bein, Stein, (S. Ai und Oi,) die gezierten Mundarten aber dem ei ein ee unterschieben, Seel für Seil, Kleed für Kleid, Steen für Stein, Eche für Eiche, nee für nein, Eenigkeet für Einigkeit, mehnen für meinen, wehnen für weinen; welchen Fehler nicht allein manche gemeine Meißner, sondern auch die Schlesier, Pfälzer u.s.f. an sich haben, wozu sie vermuthlich durch die Niedersächsische Mundart verleitet worden, welche statt des Hochdeutschen ei in vielen Fällen ein gedehntes e hören lässet. Die Oberpfälzer sprechen dieses e gar wie ein gedehntes a aus, naa für nein, Stahn, Bahn, für Stein, Bein u.s.f. In dem Worte eilf und dessen Ableitungen, lassen die meisten, auch Obersächsischen Mundarten, nach dem Vorgange der Niedersachsen nur ein kurzes e hören, als wenn es elf, elfte u.s.f. geschrieben wäre.

Diese Verschiedenheit der Aussprache hat oft ein Wort unter verschiedenen Gestalten auch in die Deutschen Schreibarten eingeführet. Dergleichen sind besonders lêhnen und leihen, lêhnen und leinen, fehlen und feilen und andere mehr; S. diese Wörter.[1660]

In Deist, Atheist und andern fremden Wörtern, werden e und i deutlich als zwey besondere Laute nicht aber als ein Doppellaut ausgesprochen.

Manche Verba verwandeln ihr ei des Infinitives in der Conjugation in ein langes i oder ie, reiben, ich rieb, gerieben; treiben, ich treib, getrieben; bleiben, ich blieb, geblieben; schreiben, ich schrieb, geschrieben u.s.f.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1660-1661.
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