Einnehmen

[1724] Einnêhmen, verb. irreg. act. (S. Nehmen,) hinein nehmen; doch in verschiedenen besondern Fällen und mit allerley Nebenbegriffen. 1. Von außen herein nehmen. Die Segel einnehmen, einziehen. Die Wäsche einnehmen, sie herein nehmen. 2. In sich nehmen. 1) Eigentlich. (a) Arzeney einnehmen, Pulver, Pillen, Tropfen einnehmen. Er nimmt nicht gern ein, nehmlich[1724] Arzeney. Gift einnehmen. (b) Das Mittagsmahl einnehmen, die Mahlzeit einnehmen, sagt man von dem Speisen vornehmer Personen. Das Frühstück bey jemanden einnehmen. (c) Einen Gestank, einen üblen Geruch einnehmen, ihn einziehen. 2) Figürlich. (a) Stachelreden, bittere Vorwürfe, harte Beschuldigungen einnehmen, sie geduldig anhören. (b) Genau hören. Eine Sache genau einnehmen. Er hat wohl etwas gehöret, aber er hat es nicht recht eingenommen. Im Oberdeutschen sagt man auch, einen Bericht, eine Klage, einen Vortrag einnehmen, für anhören. S. Nehmen. 3. In sein Haus, in seine Wohnung nehmen. Es will ihn niemand einnehmen, in sein Haus, entweder als einen Gast, oder zur Miethe. Einen Gast einnehmen. Jemanden zur Miethe einnehmen. Nimmst du einen Fremden zu dir ein, so wird er dir Unruhe machen, Sir. 11. 35. Ingleichen, Besatzung einnehmen, in die Stadt. Die Stadt weigerte sich, die Truppen, die Besatzung einzunehmen. Ballast, neue Vorräthe einnehmen, in das Schiff schaffen. 4. In Besitz nehmen. 1) Eigentlich. (a) Eine Stadt, ein Land einnehmen, es durch die Waffen in seine Gewalt bringen. Eine Stadt mit stürmender Hand einnehmen, sie mit Sturm erobern. Einen Hügel, einen Wald, einen Posten einnehmen. (b) Einen Platz, einen Raum einnehmen. Eines andern Stelle einnehmen, sich an seine Stelle setzen; ingleichen figürlich, sein Amt, seine Würde bekommen, oder doch auf kurze Zeit verwalten. 2) Figürlich. (a) Mit dem Nebenbegriffe der Ausfüllung. Sein Gefolge nahm das ganze Haus ein. Der Schrank nimmt das ganze Zimmer ein. Das Regiment nahm den ganzen Markt mit seinem Gepäcke ein. Der Wein, das Bier nimmt den Kopf ein, macht trunken oder doch dumm. (b) Die Kräfte der Seele bestimmen. Sich von jemanden einnehmen lassen, sich von ihm Überreden lassen. Eine einnehmende Beredsamkeit, die uns ganz dahin reißt. Jemanden mit etwas einnehmen. Er ist ganz von Vorurtheilen eingenommen. Besonders von Leidenschaften. Ich lasse mich weder von Freude, noch von Betrübniß einnehmen, Gell.


So oft ich ihn im Geist betrachte,

Nimmt ein gewisser Trieb, ein süßer Trieb mich ein,

Gell.


Welch freudig Schrecken nimmt mich ein!

Gell.


(c) In engerer Bedeutung, sich jemandes Wohlwollen, Neigung und Liebe verschaffen. Sie ist ganz eingenommen von ihm. Er hat ihn ganz eingenommen. Für jemanden eingenommen seyn. Jemanden mit seiner Gestalt, mit seiner Höflichkeit, mit seiner Schmeicheley einnehmen. Er nimmt jedermann ein. Eine einnehmende Gesichtsbildung.


Man mag gleich stumm und hirnlos seyn,

Man seh' nur schön, so nimmt man ein,

Gell.


5. In Empfang nehmen, besonders Geld, und andere bewegliche Güter, die ein Mittel unserer Nothdurft und Bequemlichkeit sind, in Empfang und Verwahrung nehmen. Die herrschaftlichen Bedienten nehmen jetzt wenig ein. Er wendete vor, er müßte Renten einnehmen, 2 Macc. 3, 8. Die den Zinsgroschen einnehmen, Matth. 17, 24. Zoll, Geleit, Accise einnehmen. In engerer Bedeutung, Geld für Waaren lösen. Ich habe heute nichts eigenommen. Man nimmt jetzt wenig ein. Ingleichen, Einkünfte, Einkommen haben. Er nimmt das Jahr über viel ein. S. Einnahme.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1724-1725.
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