Entbinden

[1817] Entbinden, verb. irreg. act. (S. Binden,) los binden. 1. Eigentlich, in der höhern Schreibart. 2. Figürlich. 1) Aus der Verbindung mit andern Dingen bringen. So entbindet sich in der Chymie z.B. die fixe Luft, wenn sie von demjenigen Körper, mit welchem sie verbunden war, befreyet wird. 2) Von einer unangenehmen, beschwerlichen Sache befreyen, in einigen Fällen, und mit der zweyten Endung oder dem Vorworte von. Jemanden von dem Gesetze, von seiner Pflicht entbinden. Aller Noth entbunden seyn, gestorben seyn. 3) In der anständigen Schreibart, von dem weiblichen Geschlechte, von der Bürde des Leibes befreyen. Gott wolle sie ihrer weiblichen Bürde gnädig entbinden, eine gewöhnliche Formel der Vorbitte für Schwangere. Sie ist bereits entbunden worden. Von einem Sohne, von einer Tochter entbunden werden, wo einige unrichtig das Vorwort mit gebrauchen. So auch die Entbindung, besonders von der Geburt, in Ansehung der Mutter. Die Zeit ihrer Entbindung ist nahe. Eine leichte, eine schwere Entbindung haben. Die Entbindungskunst, die Kunst zu entbinden, die Geburt durch Handreichung zu erleichtern; die Hebammenkunst, Geburtshülfe.

Anm. Bey dem Kero lautet dieses Zeitwort anpintan, der es auch für los sprechen gebraucht. Bey dem Ottfried stehet intbindan figürlich für befreyen mit der zweyten Endung der Sache. Enbinde mich von sender not, Jacob von Warte. Wil si mih nicht von herzelide enbinden, Walther von Tiufen. In der letzten Bedeutung des Gebärens gebrauchen die Niedersachsen dafür verlösen. Opitz gebraucht dieses Wort in einigen im Hochdeutschen ungewöhnlichen Verbindungen:


Wir irren allesammt; kein Mesch kann sich entbinden,

Als sey er Tadel frey, d.i. ausnehmen;


und Ps. 89:


Du hast dein wahres Wort im Himmel eingegründet,

Da seinen festen Stand und Glauben nichts entbindet,


d.i. auflöset, entkräftet.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1817.
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