Feige

[80] Feige, -r, -ste, adj. et adv. 1. Eigentlich, mürbe, weich, von welchem Worte es nur in der Aussprache und Schreibart verschieden ist. In dieser größten Theils veralteten Bedeutung ist es nur noch in dem Bergbaue üblich, wo das Gestein feige wird, wenn es mürbe, locker wird, so daß es sich ablösen will. Eben daselbst werden die Schächte und Stollen feige, wenn das Holzwerk faul wird. S. Weich. 2. Figürlich, dem Gemüthe nach weich. 1) * Weichlich, verzärtelt.


Ni si man nihein so feigi,

Ther zuuei gifang eigi,


niemand sey so weichlich, daß er zwey Röcke habe, Ottfried B. 1, Kap. 24. Eine veraltete Bedeutung. 2) * Betrübt, traurig, niedergeschlagen; in welcher gleichfalls, veralteten Bedeutung dieses Wort in dem alten Gedichte auf Carln den Großen Vaig lautet. 3) * Dem Tode nahe, in den letzten Zügen liegend, doch nur im Nieders. und den verwandten Mundarten; Nieders. fege, bey dem Ulphilas feigur, im Angels. faeg, im Isländ. feigur, im Schwed. feg, wo auch Fegd der Zustand eines Sterbenden ist. 4) Die Gefahr mehr als nöthig und klüglich ist scheuend, verzagt, muthlos, welche Bedeutung im Hochdeutschen allein noch üblich ist. Feige Soldaten. Ein[80] feiges Herz. Eine feige Memme, in der niedrigen Sprechart, ein feiger Mensch. Er bewies sich sehr feige.

Anm. Im Nieders. feeg, im Dän. fej, im Holländ. veeg. Ehedem bedeutete es auch einen überwundenen Feind, S. Frisch v. Faig, und im Niedersächsischen ist es auch so viel als wenig, wo es aber ein eigenes Wort zu seyn scheinet, welches zu dem Goth. fawai, dem Angels. fea, feawa, dem Schwed. fae, dem Engl. few, dem Franz. peu, dem Lat. paucus und alten Oberd. foi, fohe, gehöret. Im Oberdeutschen lautet dieses Wort nur feig; allein die gelinde Hochdeutsche Aussprache des g macht hier das e euphonikum nothwendig, S. E.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 80-81.
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