Flügel, der

[227] Der Flügel, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Flügelchen, Oberd. Flügellein. 1 Was da flieget, d.i. sich in der Luft beweget; doch nur in einigen Fällen. So werden die kleinen Fahnen auf den Mastbäumen, welche beständig wehen, und den Wind zeigen, Flügel genannt, zum Unterschiede von den Wimpeln und Flaggen. Im Nieders. heißt eine jede Windfahne auf einem Gebäude ein Flügel. Dahin gehören auch die Flügel einer Windmühle, diejenigen Theile, welche von dem Winde herum gedrehet werden, und die ganze Maschine in Bewegung setzen; die Flügel einer Spule, welche im Umdrehen der Spule in einem Kreise fliegen, u.s.f. 2. Ein Werkzeug zu fliegen, an den fliegenden Geschöpfen, Vögeln und Insecten. 1) Eigentlich, wo es besonders von den mit Schwungfedern versehenen Gliedmaßen der Vögel gebraucht wird, vermittelst deren sie sich in der Luft fortrudern. Der Vogel breitet die Flügel aus, schwinget die Flügel, lässet die Flügel hängen u.s.f. Ein Äntenflügel, Gänseflügel u.s.f. Auch das von Federn entblößte Glied führet in den Küchen und bey Tische noch den Nahmen des Flügels. Von den Flügeln der Vögel hat man so wohl im gemeinen Leben als in der edlen und höhern Schreibart verschiedene figürliche Redensarten entlehnet. Zu jenen gehöret: die Flügel hängen lassen, traurig seyn; einem die Flügel beschneiden, sein Vermögen, seine Kräfte, seine Freyheit vermindern; Flügel bekommen, Kräfte, Vermögen bekommen; sich die Flügel verbrennen, aus Vorwitz in Schaden gerathen u.s.f. Zu diesen: Jetzt, da ich auf Flügeln der Liebe hierher eile, mein Glück vollkommen zu machen, Weiße. Flügel der Morgenröthe, Ps. 139, 10.


Die goldnen Flügel schwingt der Ruf stolz über dir,

Weiße.


Und wenn die Freyheit denn

Von Banden los den goldnen Flügel schlägt,

Weiße.


Dahin gehören auch die biblischen R.A. in welchen Gott Flügel beygeleget werden, seinen Schutz anzudeuten. 2) Figürlich. (a) So fern sich die Flügel zu beyden Seiten an dem Körper des Thieres befinden. So werden die beyden äußersten Enden einer in Schlachtordnung gestellten Armee, eines Corps Soldaten, eines Regimentes, Bataillones u.s.f. und die auf diesen Enden befindlichen Soldaten Flügel genannt. Der rechte, der linke Flügel. Auf dem rechten Flügel stehen. Den Flügel schwenken. Der linke Flügel wurde geschlagen. Die Flügel ausbreiten, Es. 8, 8. Im Jagdwesen, die rechte oder linke Seite eines Jagens, und die daselbst befindlichen Leute. In einem andern Verstande sind im Jagdwesen die Flügel die von einem Ende des Waldes bis zum andern gehauenen Wege, welche auch Stellwege, Richtwege, Alleen, Durchhiebe genannt werden. An Gebäuden ist der Flügel ein an dem Ende eines Hauptgebäudes angesetztes Gebäude. Im Festungsbaue sind es die langen Seiten eines Horn- und Kronwerkes, welche von dem Hauptwalle oder den Außenwerken bestrichen werden. Im Wasserbaue sind die Flügel Werke, welche von dem Ufer aus in den Strom geführet werden, entweder das Ufer zu sichern, oder auch das Strombett zu ändern, und welche auch Buhnen, Bühnen,[227] Abweiser, Packwerke, Krippen u.s.f. genannt werden. In der Anatomie werden die Seitentheile der Nase, und die obern Theile der Ohrläppchen Flügel genannt. Die beweglichen Hälften einer Thüre oder eines Fensters heißen gleichfalls Flügel, eine Thüre, ein Thor mit zwey Flügeln; so wie an den Kinderkleidern und an den Röcken der Trompeter gewisse von dem Rücken herunter hängende Theile, S. Flügelkleid. Ruth 3, 9 wird der Zipfel des Kleides ein Flügel genannt, S. Fittich. Bey den neuern Schriftstellern des Pflanzenreiches heißen die an den Seiten des Schiffes der Blumen stehenden Blumenblätter, Flügel, Alae; und im gemeinen Leben werden die Arme der Menschen zuweilen im Spotte Flügel genannt, S. Fittich. Jemanden bey dem Flügel nehmen und zur Thüre hinaus führen. (b) Ein musikalisches Saiten-Instrument, welches wie ein Clavier gespielet wird, und von außen die Gestalt eines Flügels hat.

Anm. Dieses Wort lautet im Nieders. Flegel, im Schwed. Flygel, im Dän. Floj, im Epirotischen Flele. Im Niedersächsischen ist dafür auch Flucht, Flüchte, Flunk, und in Baiern Flenkel üblich.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 227-228.
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