Herbst, der

[1118] Der Hêrbst, des -es, plur. die -e. 1) Die Einsammlung der Feldfrüchte, die Ernte, die Weinlese; eine nur noch im Oberdeutschen übliche Bedeutung. Einen guten Herbst haben, eine gute Ernte, eine gute Weinlese. Daher das Oberdeutsche Zeitwort einherbsten, für einernten, S. dasselbe. 2) Figürlich, und im Hochdeutschen im gewöhnlichsten Verstande, die gewöhnlichste Zeit der Ernte, d.i. diejenige Jahreszeit, welche auf den Sommer folget und vor dem Winter hergehet, wo sich die Sonne durch die Wage, den Scorpion und den Schützen beweget. Anm. In der Bedeutung der Ernte lautet dieses Wort im Engl. Harvest, im Angels. Haerfest, in der Bedeutung der Jahreszeit aber zu Carls des Großen Zeit und bey dem Notker Herbist, im Nieders. Harfst. Die Abstammung dieses Wortes ist noch ungewiß. Frisch leitet es von herbe her, weil die Witterung in dieser Jahreszeit schon unangenehm ist; Wachter aber vom Goth. Ar, Getreide, und Angels. fon, nehmen. Tacitus sagt von den alten Deutschen, daß sie nur zwey Jahreszeiten kenneten, Sommer und Winter; autumni perinde nomen ac bona ignorantur. Ihre schließet daraus, daß der Nahme des Herbstes daher aus einer fremden Sprache eingeführet worden. Allein wider seine Gewohnheit fällt er auf den unwahrscheinlichen Gedanken, es aus dem Lat. Augustus herzuleiten, woraus die Niedersachsen ihr Aust, die Holländer ihr Oogst, und die Schweden ihr Höst, alle in der Bedeutung der Ernte und des Herbstes, entlehnet haben, woraus durch Einschiebung des r unser Herbst geworden seyn soll. Die[1118] ältesten Römer hatten gleichfalls nur zwei Jahreszeiten, in der folgenden Zeit nahmen sie auch den Herbst an und nannten ihn Auctumnus, von augere. Vermuthlich haben die Deutschen die Einsammlung der Feldfrüchte, und die Zeit in welche solche fällt, auf ähnliche Art benannt. Im Angels. bedeutet aerfwa erwerben, und Arf, Yrfe, eine jede erworbene Sache; Wörter, welche für unser Herbst eine weit wahrscheinlichere Abstammung an die Hand biethen, als der Augustus; S. Arbeit, Erbe und Werben. Aus eben dieser Ursache hieß die Ernte und der Herbst im mittlern Lat. Gagnagium, und im alt Franz. Gain. Übrigens wird diese Jahreszeit auch das Spätjahr und im Nieders. das Nachjahr, so wie der Frühling das Vorjahr, genannt.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1118-1119.
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