-Icht (2)

[1350] 2. -Icht, eine Ableitungssylbe, Bey- und Nebenwörter aus Hauptwörtern zu bilden, welche die Ähnlichkeit mit denselben bezeichnen. Das Wasser schmeckt tinticht, wie Tinte, erdicht,[1350] wie Erde, weinicht, wie Wein. Buckelicht gehen, als wenn man einen Buckel hätte. Kupfericht im Gesichte aussehen, wie Kupfer. Das Fleisch schmeckt grasicht, holzicht, wie Gras, wie Holz. So auch felsicht, flammicht, bergicht, haaricht, fetticht, talgicht, öhlicht, thöricht, beinicht, perlicht, glasicht, und tausend andere mehr, welche insgesammt den Begriff der Ähnlichkeit bey sich führen.

In den gemeinen Mundarten, so wohl Ober- als Niederdeutschlandes, lautet diese Sylbe acht, und vollständig achtig, echtig; sumpfechtig, eine mosachte Wiese, Bluntschli; im Dän. agtig, im Schwed. ackt, ackteg. Hieraus erhellet zugleich, daß sie nicht, wie Wachter will, von dem folgenden icht, etwas, sondern wirklich von dem Zeitworte achten herstammet, und daß z.B. thöricht etwas bedeutet, das für einen Thoren zu achten, oder demselben ähnlich ist. Es sind also die Beywörter auf icht von den auf ig wesentlich unterschieden, ob sie gleich nicht nur im gemeinen Leben, sondern auch von guten Schriftstellern, ja selbst von Sprachlehrern, häufig mit einander verwechselt werden, weil den Gaumenbuchstaben im gemeinen Leben, besonders in den härtern Mundarten, so gern ein t nachschleicht, daher man immer noch süßlicht, gründlicht, für süßlich und grünlich, steinigt, bergigt, für steinig, bergig, und folglich auch kitzlicht, salzicht, morasticht, vielköpficht, schatticht u.s.f. für kitzelig, salzig, morastig, vielköpfig, schattig, lieset und höret; ungeachtet der Unterschied sehr leicht zu fassen und zu beobachten ist, auch in zweifelhaften oder gleichgültigen Fällen, die doch so häufig nicht seyn werden, der Wohlklang sich für das -ig erkläret.

Aber auch mit dem Begriffe der Ähnlichkeit lässet sich diese Sylbe nicht allen Hauptwörtern anhängen, weil in vielen Fällen lich, isch, haft und andere schicklicher sind. So sagt man nicht thiericht, sondern thierisch, nicht hündicht, sondern hündisch, nicht menschicht, sondern menschlich, nicht bettelicht, sondern bettelhaft. Überhaupt macht der starke Hauchlaut in Gesellschaft des t in vielen der Wörter, welche auch diese Ableitungssylbe annehmen, einen merklichen Übelklang, welchen man vermeidet, wenn man statt dessen das gleichbedeutende artig nimmt; glasartig, beinartig, erdartig, weinartig, felsartig u.s.f. welche noch diesen Vorzug haben, daß sie auch den Superlativ verstatten, welchen die Beywörter auf icht um des unvermeidlichen Übelklanges willen nur selten erlauben.

Über dieß lassen sich von den Beywörtern auflicht keine Hauptwörter bilden, ungeachtet der Begriff es wohl verstattete, welches aber mit denen auf artig keine Schwierigkeit hat, als welche insgesammt das keit annehmen können, so wie das -achtig oder -echtig der Ober- und Niederdeutschen vermittelst dieser Endsylbe gleichfalls Hauptwörter zulässet; die Glasachtigkeit, Glasartigkeit. S. 2. -Ig.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1350-1351.
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