Kaum

[1526] Kaum, adv. mit Mühe, mit Anstrengung aller Kräfte. 1) Eigentlich, wo es doch nur gebraucht wird, wenn die angewandte Bemühung eben hinreicht, einen Endzweck zu erreichen, so daß er nicht erreicht werden würde, wenn nur etwas an den Kräften, oder an der Bemühung fehlete. Uns ist bange, daß wir kaum Odem hohlen können, Es. 26, 18. Kaum wird der Gerechte erhalten, 1 Petr. 4, 18. Ich konnte mich kaum vor ihm retten. Kaum konnte ich mich des Lachens enthalten. Das kann ich kaum glauben. Ingleichen figürlicher. Sie erschrecken kaum einen Augenblick vor der Hölle, Hiob 21, 13. Es ist kaum die Hälfte. Es wird kaum zureichen. Er ist kaum zwölf Jahre alt. 2) Figürlich, von der Zeit, vor sehr kurzer Zeit, vor einem Augenblicke. Er ist kaum hinaus gegangen. Der frühe Hahn hat kaum noch den Morgen gegrüßt, Geßn.


Was kaum so reitzend war, sieht sie mit Grauen an,

Wiel.


Am häufigsten im Vordersatze, so daß im Nachsatze so und zuweilen auch da und als folget, zwey unmittelbar auf einander folgende Veränderungen zu bezeichnen, wo das kaum, wenn keine andere Partikel da ist, auch zu Anfange eines Satzes stehen kann, da denn die erste Endung der Person hinter das Zeitwort tritt. Als Jacob kaum hinaus gegangen war, da kam Esau, 1 Mos. 27, 30. Ich hatte den Brief kaum gelesen, als er in das Zimmer trat; oder kaum hatte ich den Brief gelesen, so trat er in das Zimmer. Kaum hatte ich einige Schritte gethan, so wich der Boden unter mir. Kaum haben wir einen Wunsch erreicht, so machen wir Anschläge auf neue Vergnügungen, Sonnenf.


Allein er schlummert kaum,

Als ihn ein stark Geräusch erwecket,

Lichtw.


Kaum naht' ich mich dem Ton,

So hatte mich das Netz auch schon,

Gell.


Anm. Bey dem Ottfried kumo, bey dem Notker chumo, bey den Schwäbischen Dichtern kume, im Nieders. kum, bey den Krainerischen Wenden kumej, im Oberdeutschen auch käumerlich, ehedem kaumend, kaumenden. Es gehöret zu dem kumig, krank, des Ottfried, Nieders. küm, krank, schwach. Im Tatian ist Cumida Krankheit, im Griech. καμειν krank, schwach seyn, welches mit dem Nieders. quimen, Holländ. kuymen, überein kommt. S. Kummer. Auch das alte kauman, bey dem Kero, sorgen, scheinet dahin zu gehören. Auf eben die Art ist aegre im Lat. kaum, von aeger, krank. Die Niedersachsen gebrauchen für kaum auch knapp und nährlich, Engl. narrow, Angels. nearewe, von dem Angels. near, nyr, enge, näher.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1526.
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