Kochen

[1678] Kóchen, verb. reg. welches in doppelter Gestalt gebraucht wird.i. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, wo es von flüssigen Körpern gebraucht wird, wenn sie von dem Feuer auf Einer Seite durchdrungen und in Blasen in die Höhe getrieben werden, welche wegen ihrer Schwere auf der andern Seite wieder herunter fallen. Es wird also eigentlich nur von solchen flüssigen Körpern gebraucht, welche in Töpfen auf diese Art von[1678] dem Feuer durchdrungen werden; in weiterer Bedeutung aber auch von solchen, welche eigentlich sieden. 1) Eigentlich. Das Wasser kocht bereits, hat schon lange gekocht, wird bald kochen. Der Brey, die Erbsen, das Fleisch kocht schon, wenn das Wasser oder die Brühe, worin sie sich befinden, kocht. Nach einer nicht seltenen Figur sagt man es auch von dem Gefäße, worin sich der flüssige Körper befindet. Der Topf, der Kessel kocht schon. 2) Figürlich. (a) Die Weintrauben kochen, wenn der darin befindliche Saft von der Sonnenhitze zur Reife gebracht wird. (b) Das Blut kocht in seinen Adlern, von einer heftigen Bewegung des Blutes. Was für Leidenschaften kochen in seiner tobenden Brust! II. Als ein Activum, durch Hülfe des Feuers diese Veränderung in einem flüssigen Körper hervor bringen, und in weiterer Bedeutung dadurch zubereiten. 1) Eigentlich, wo es zunächst von solchen Dingen gebraucht wird, welche ihre Zubereitung auf diese Art in Töpfen erhalten. Leim kochen, Kleister kochen, Brey kochen. Seife kochen, wofür doch sieden üblicher ist. Erbsen kochen. Die Speise, das Essen kochen. Etwas am Feuer, bey dem Feuer kochen. Eine Speise mit Wasser, mit Wein kochen. Ingleichen absolute und in Gestalt eines Neutrius, die Speisen auf solche Art zubereiten. Bey Hofe, zu Hofe kochen. Er kann nicht kochen. Sich selber kochen. Bey einer Hochzeit kochen. Schlecht, gut kochen. 2) Figürlich. Der Magen kocht die Speise, wenn er sie verdauet. Die Sonne kocht den Wein am Weinstocke, wenn sie die Trauben durch ihre Wärme zur Zeitigung bringt. Für das Hauptwort die Kochung ist das Kochen üblicher.

Anm. 1. Im Nieders. kaken, im Dän. koge, im Schwed. koka, im Lat. coquere, im mittlern Latein. cocinare. Es kann seyn, daß die Deutschen so wohl dieses Wort als die dadurch bezeichnete Sache, so wie mehrere zum Wohlleben gehörige Dinge, aus Italien erhalten haben; indem bekannt ist, daß rohe wilde Völker, dergleichen die Deutschen in den ältesten Zeiten waren, ihre Speisen roh essen. Indessen ist doch dieses Wort eine sehr deutliche Nachahmung des dumpfigen Schalles, welchen ein flüssiger Körper im Kochen macht.

Anm. 2. Hr. Stosch bemerkt ganz richtig, daß kochen einen geringern Grad der Aufwallung bezeichne, als sieden. Der Grund liegt in eben der jetzt gedachten Onomatopöie. Kochen druckt einen hohlern, dumpfigern, sieden aber einen hellern zischenden Schall aus. Ein flüssiger Körper kocht, wenn er auf Einer Seite Feuer hat; er siedet, wenn das Feuer entweder von allen Seiten, oder von unten auf in ihn wirket. Um dieser Ursache willen gehöret das Kochen eigentlich für die Töpfe, das Sieden aber für die Kessel. In vielen Fällen wird dieser Unterschied wirklich beobachtet. Man sagt, Krebse, Fische, Seife, Alaun, Salz sieden u.s.f. und nicht kochen, weil man sich dazu der Kessel und nicht der Töpfe bedienet. Im gemeinen Leben aber, besonders Niedersachsens, werden beyde Wörter häufig mit einander verwechselt, so daß man kochen immer da gebraucht, wo eigentlich sieden stehen sollte; zumahl da kochen auch in weiterer Bedeutung von der Zubereitung der Speisen überhaupt gebraucht wird. Luther selbst gebraucht das Zeitwort kochen Zach. 14, 21; 3 Esr. 1, 12, von dem Sieden in Kesseln.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1678-1679.
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