Langen

[1901] Langen, verb. reg. welches von dem Nebenworte lang abstammet, und in doppelter Gestalt üblich ist.

I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben.

1. Länger werden; doch nur noch in einigen Fällen des gemeinen Lebens.


Wenn der Tag beginnt zu langen,

Kommt die Kälte erst gegangen.

[1901] Im Oberdeutschen auch für lang werden, d.i. lange däuchten, von der Zeit. Die kurzen Stunden mir sehr langen.

2. Sich mit der Länge bis zu etwas erstrecken. 1) Eigentlich, so wohl von der körperlichen Ausdehnung, als auch von der Zeit, für reichen; am häufigsten nur im gemeinen Leben. Der Rock langt bis auf die Fersen. Die Vorhänge langen bis auf die Erde. Das Gebirge langt bis an das Meer. Der Berg Sina langet bis gen Jerusalem, Gal. 4, 25. Deine Gewalt langet bis an der Welt Ende, Dan. 4, 19. 2) Dem Werthe, der Materie, der Güte nach. Hundert Thaler langen nicht weit. Das Geld langet nicht so weit, ist dazu nicht hinlänglich. Der Zeug langet gerade noch zu Einem Kleide. Bis dahin langet (erstrecket sich) meine Höflichkeit nicht, Less. Die Zeit meiner Wallfahrt langet nicht an die Zeit meiner Väter in ihrer Wallfahrt, 1 Mos. 47, 9; d.i. kommt ihr der Dauer nach nicht gleich. Nach einer noch weitern Figur auch für auskommen. Ich kann damit nicht langen. In beyden Bedeutungen ist in der anständigern Sprechart dafür nun reichen üblicher.

3. In engerer Bedeutung, mit ausgestreckter Hand an etwas reichen. 1) Eigentlich, wo in der anständigern Sprechart gleichfalls reichen üblicher ist. Ich kann nicht so weit langen. Ich kann schon bis dahin langen. Ingleichen die ausgestreckte Hand an einen Ort hin bewegen. In die Schüssel langen. Nach etwas langen. Auf den Tisch langen. 2) * Figürlich, mit dem Gemüthe, mit Unruhe begehren; wofür doch jetzt verlangen üblicher ist. Das einfache langen kommt indeß in dieser Bedeutung noch bey dem Notker vor, und im Schwed. heißt es auch noch länga. S. Verlangen.

II. Als ein Activum, in dem ersten Falle der letzten dritten Bedeutung, mit ausgestreckter Hand darreichen; gleichfalls nur im gemeinen Leben, für reichen, geben. Lange mir den Hut. So auch in den Zusammensetzungen ablangen, auflangen, herlangen, hinlangen, zulangen. Auch figürlich, doch auch nur im gemeinen Leben, hingehen und holen, oder bringen. Ich will immer gehen und die Forrellen aus dem Fischhälter langen, Gell.

Das Hauptwort die Langung ist nur in den Zusammensetzungen üblich.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1901-1902.
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