Mahl (2), das

[20] 2. * Das Mahl, des -es, plur. die -e, ein im Hochdeutschen völlig veraltetes Wort, welches ehedem den Schall, die Stimme, den Ton bedeutete, und vornehmlich in einem doppelten Verstande[20] vorkommt. 1) Die Sprache, wie noch das Schwed. Male und Isländ. Mal. Daher ist im Schwed. måla sprechen, im Isländ. maela, maelga. Das hohe Alter dieses Wortes erhellet aus der letzten Hälfte des Latein. promulgare, aus dem Griech. μελος, ein lieblicher Gesang, ὁμελειν, predigen, und dem Hebr. מלל, sprechen, reden. Allem Ansehen nach ist es eine sinnliche Nachahmung des Schalles selbst, da es denn, wenn man die gewöhnliche Verwechselung der Lippenbuchstaben mit in Anschlag bringt, zu bellen gehören würde. Diejenigen, welche es mit Wachtern von dem folgenden Mahl, ein Zeichen, ableiten, weil die Sprache und Worte Zeichen der Gedanken sind, trauen unsern rohen Vorfahren, denen wir die Sprache zu danken haben, zu viel Abstraction zu. Wir haben von dieser veralteten Bedeutung noch das Zeitwort melden, S. dasselbe. So fern dieses Wort ehedem Geräusch überhaupt bedeutet hat, kann auch das noch Nieders. mall, wild, unbesonnen, mallen, ausgelassen seyn, wild in den Tag hinein leben, und sein Geld vermallen, liederlich durchbringen, hierher gehören. 2) Eine Versammlung, besonders eine öffentliche Versammlung des Volkes, ingleichen eine gerichtliche Versammlung; eine ehedem sehr übliche Bedeutung, in welcher im mittlern Lateine Mallus und Mallum, mit vielen Ableitungen vorkommen. In Thüringen wird das Feldgericht noch jetzt das Hägemahl, d.i. das gehägte Mahl oder Gericht, genannt. Daher war ehedem die Mahlstätte, oder der Mahlplatz, derjenige Platz, auf welchem sich das Volk, oder auch nur die Gerichtspersonen mit den Parteyen versammelten, der, wenn es ein Berg war, der Mahlberg genannt wurde. Bey dem Raban Maurus ist Mahal der Gerichtshof. Um Bremen ist die Möllenvogtey und das Möllenamt bekannt, welche von diesem Mahl, das Gericht, ihren Nahmen haben, und im Hochdeutschen in Mühlenamt und Mühlenvogtey verderbt werden, als wenn sie von dem Worte Mühle abstammeten. Ja eine jede Feyerlichkeit wurde ehedem Mal genannt, weil sie gemeiniglich mit einer Versammlung mehrerer Menschen verbunden ist.

Man hat von Mahl in dieser zweyten Bedeutung mehrere Ableitungen. Einige leiten es von Mahl, Mahlzeit, ab, weil die Alten ihre Versammlungen gern mit einem Schmause beschlossen, die meisten aber von dem folgenden Mahl, ein Zeichen, da sie es denn zunächst von dem Versammlungsorte verstehen, und es durch einen bezeichneten und zur Versammlung bestimmten Ort erklären. Mit mehrerer Wahrscheinlichkeit rechnet man es zu Mahl, Sprache, und zwar entweder so fern damit zunächst auf den in allen solchen Versammlungen nöthigen mündlichen Vortrag gesehen wird, auf welche Art noch jetzt in Niedersachsen verschiedene Arten öffentlicher Versammlungen die Sprache, in Frankreich der höchste Gerichtshof, und in England die Versammlung der Abgeordneten der Reichs- und Landstände das Parlament, von parler, sprechen, genannt werden; oder auch so fern überhaupt das mit der Versammlung mehrerer verbundene Geräusch dadurch ausgedruckt wird. S. Mahlstatt.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 20-21.
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