Morgen (1), der

[285] 1. Der Morgen, des -s, plur. ut nom. sing. die Zeit zwischen Nacht und dem vollen Tage, die Zeit um den Aufgang der Sonne und bald hernach. 1. Eigentlich. Es wird Morgen. Der Morgen bricht an. Es gehet gegen den Morgen. Ich habe ihn diesen Morgen gesprochen. Es war ein schöner Morgen. Gegen Morgen fing es an zu donnern. Guten Morgen, der gewöhnliche Morgengruß. Daher, jemanden einen guten Morgen sagen oder biethen, ihn mit diesen Worten am Morgen grüßen. Bis an den hellen Morgen schlafen. Alle Morgen. Heute Morgen, diesen Morgen. Des Morgens, am Morgen, zur Morgenzeit. Am Morgen, oder des Morgens ausgehen. Früh Morgens, des Morgens in aller Frühe, in den Monseeischen Glossen vruo in Moragen, vruo in Morgan, bey dem Stryker, des Morges vil fru. Von früh Morgens an arbeiten. Gestern Morgen, ehegestern Morgen. Vom Morgen bis an den Abend. Bey frühem Morgen kam der arme Amyntas aus dem dichten Hain, Geßn.


Noch eh der Morgen graut, gehst du wohin du willst,

Zach.


Zuweilen begreift man unter dem Worte Morgen auch den ganzen Vormittag. S. auch Morgens. 2. Figürlich. 1) Die Zeit der Jugend bis zum männlichen Alter, in der dichterischen Schreibart.


Mein Morgen ist vorbey, der Frühling meiner Tage,

Canitz.


Heil uns, daß unser Morgen in die Tage

Des einzigen Monarchen fiel!

Raml.


2) Die Gegend am Himmel, wo die Sonne aufzugehen scheinet, und im schärfsten astronomischen Verstande, der Punct am Himmel, wo sie in den Äquator tritt, welcher von dem Meridian 90 Grad entfernet ist, und der wahre Morgen genannt wird, zum Unterschiede von dem scheinbaren, ohne Plural; Osten. Gegen Morgen wohnen, reisen. Der Wind kommt von Morgen, aus Morgen. Es wird in diesem Verstande am gewöhnlichsten ohne Artikel gebraucht. Notker gebraucht dafür Vfruns, d.i. der Aufgang.

Anm. Bey dem Ulphilas Maurgin, bey dem Kero Morkan, bey dem Ottfried und im Tatian Morgan, in den gemeinen Oberdeutschen Mundarten zusammen gezogen Morn, im Nieders. und Dän. gleichfalls Morgen, im Angels. Morgen, Marn, im Engl. Morning, Morn, im Schwed. Morgon, im Isländ. Morgun. Es ist sehr wahrscheinlich, daß dieser Theil der Zeit von dem Anbruche und Wachsthum des Tages und des Lichtes seinen Nahmen habe, so wie der Abend von dem Abnehmen desselben benannt worden.[285] Morgen würde alsdann zu dem Geschlechte des Wortes mehren, bey dem Ottfried merran, wachsen, gehören, so wie sich das Lat. cras zu crescere, und mane, zu man, mon, hell, leuchtend, (S. Mond, Amn.) rechnen lässet.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 285-286.
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