Nahme, der

[417] Der Nahme, des -ns, dem -n, plur. die -n, ein Wort oder Ausdruck, welcher diejenigen Merkmahle eines Dinges enthält, woran dasselbe in allen Fällen erkannt wird, ein symbolisches Unterscheidungs- oder Erkenntnißzeichen eines Dinges.

1. Eigentlich. 1) In der weitesten Bedeutung, wo zuweilen ein jedes Wort, ein jeder Ausdruck, so fern er die Unterscheidungsmerkmahle eines Dinges andeutet, ein Nahme genannt wird. So[417] nannte Wolf die Adjectiva oder Beywörter zufällige Nahmen, die Substantiva oder Hauptwörter aber wesentliche Nahmen, selbstständige Nahmen, welche bey andern Hauptnahmen heißen. 2) In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist der Nahme ein Hauptwort, welches die Art oder das Geschlecht eines Dinges bezeichnet. So sind die Wörter Pflanze, Holz, Mensch, Thier, Seele, Tugend, Geitz insgesammt Nahmen, und zum Unterschiede der folgenden Bedeutung allgemeine Nahmen, weil sie ganze Geschlechter oder Arten benennen, welche aus vielen Individuis bestehen, oder, so fern sie Abstracta sind, an vielen Individuis angetroffen und als Individua betrachtet werden. Diese Gutherzigkeit verdienet den Nahmen der Tugend nicht. Diese Eigenschaft ist des Nahmens der Gutherzigkeit unwerth. Der Mensch, der seinen Schöpfer zu kennen vorgibt, und doch nichts gegen ihn fühlt, verdient den Nahmen des Menschen nicht, Gell. Da nennt man doch ein Verbrechen bey seinem rechten Nahmen, Weiße. Der Amtsnahme, ein Ausdruck, welcher jemandes Amt anzeiget, ein Ehrennahme, oder Titel, der dessen Rang in der bürgerlichen Gesellschaft bezeichnet. Die Sache muß doch einen Nahmen haben, figürlich, man muß sich doch einen deutlichen Begriff von derselben machen, sie doch unter dem wahren Gesichtspuncte vorstellen. 3) In der engsten Bedeutung ist der Nahme ein Wort oder Ausdruck, welcher ein einzelnes Ding, ein Individuum von allen andern Dingen unterscheidet. Deutschland, Dresden, der Harz, Gott, Caspar, Hofmann u.s.f. sind solche Nahmen, oder zum Unterschiede von der vorigen Bedeutung eigene Nahmen oder eigenthümliche Nahmen. Einem Kinde, einem Orte, einem Dinge einen Nahmen geben. Den Nahmen von etwas haben. Seinen Nahmen verändern. Ich kenne diesen Menschen nur dem Nahmen nach.


Mich däucht dem Nahmen nach sollt ich sie doch wohl kennen,

Cron.


Jemanden mit Nahmen nennen. Ihn bey seinem Nahmen nennen, oder rufen.


Wie lange wirst du ihn bey diesem Nahmen nennen?

Weiße.


Ein Mensch mit Nahmen Herrmann, oder Nahmens Herrmann. Wie ist sein Nahme? Wie heißt sein Nahme? Wie lautet sein Nahme? Wie heißt er? Fühle, wie mir bey seinem Nahmen das Herz schlägt, Weiße; wenn er genannt wird. S. Geschlechtsnahme, Zunahme, Vornahme, Taufnahme, Beynahme. Die Nahmen der zwölf Monathe, der Winde und so ferner.

2. Figürlich. 1) Ein Vorwand, ein Vorgeben; im Gegensatze der That oder der Realität. Jemanden unter dem Nahmen der Freundschaft betriegen, unter dem Scheine. Etliche sind mit dem Nahmen und nicht der That nach Freunde, Sir. 37, 1. S. Nahmenchrist. 2) In jemands Nahmen, an dessen Statt. Sage es ihm in meinem Nahmen. Es ward ihm im Nahmen des Richters befohlen; in den Kanzelleyen, Nahmens des Richters. Ich bin gekommen in meines Vaters Nahmen, Joh. 5, 45, an dessen Statt, oder auch wohl auf dessen Befehl. 3) Auf jemandes Nahmen Waaren ausnehmen, borgen, Schulden machen, auf dessen Credit. Der Wein ist auf unsers Freundes Nahmen gehohlet worden, unter der Versicherung, dem Vorgeben nach, daß er für ihn sey. 4) In jemands Nahmen, im Vertrauen auf dessen Verheißung; doch nur in der Deutschen Bibel und biblischen Schreibart. Thut alles in dem Nahmen des Herren Jesu, Col. 3, 17. So ihr den Vater etwas bitten werdet in meinem Nahmen, Joh. 16, 26. 5) Im Nahmen Gottes des Vaters u.s.f. in der Taufformel, bedeutet,[418] in dessen Gemeinschaft und zum Bekenntniß derselben, welchen Sinn auch die biblische R.A. hat, auf eines Nahmen taufen. Im Nahmen Gottes wandeln, Mich. 4, 5, in dessen Gemeinschaft. Welche Arten des Ausdruckes außer der biblischen Schreibart nicht üblich sind. 6) Die Nachrede. Ich mag den Nahmen nicht haben, daß er mir gedienet hat, mag es nicht von mir gesagt haben. In engerer Bedeutung, das Urtheil anderer von unserer bürgerlichen und sittlichen Beschaffenheit, welches denn durch Beywörter näher bestimmt wird. Einen großen Nahmen haben, hinterlassen. Sich einen unsterblichen Nahmen machen. Jemanden einen bösen Nahmen machen. Der ehrliche Nahme, das öffentliche Urtheil anderer von unserer gehörigen bürgerlichen Beschaffenheit, so wie der gute Nahme auch auf die weitere sittliche Beschaffenheit gehet. Seinen guten Nahmen, seinen ehrlichen Nahmen retten, vertheidigen. Jemandes ehrlichen Nahmen kränken, schwächen, ihn um seinen guten Nahmen bringen. 7) Ein Volk, eine Nation; doch nur in einigen wenigen Arten des Ausdruckes. Ein Feind des christlichen Nahmens, des Deutschen Nahmens seyn, eigentlich alles dessen, was Christ, oder ein Deutscher heißt. 8) Die Nachkommen, Personen, welche von jemanden abstammen, weil sie dessen Nahmen führen; doch nur in der Deutschen Bibel. Mein Schwager wegert sich, seinem Bruder einen Nahmen zu erwecken, 5 Mos. 25, 7. Ihren Nahmen vertilgest du, Ps. 9, 6. Und so in andern Stellen mehr. 9) * Die Person. So werden die drey Personen in der Gottheit bey den ältern Schriftstellern des 12ten und der folgenden Jahrhunderte häufig die drey Nahmen genannt. Got durh die sinin Numen driu, Walther von der Vogelweide. Der jünger fraget, was sollen wir gelauben; der Meister sprach, das in Gott drey namen sein, und das die drey Namen ein ware Gotheit ist, Lucidar. Bey eben diesen Schriftstellern bedeutet daher Mannsname, so viel wie Mannsperson, und Frowenname Frauensperson. Die Manns-Namen sollen schweren, u.s.f. im Straßburg. Stadtrechte. In der Deutschen Bibel wird unter dem Nahmen Gottes oft Gott selbst verstanden. Außer dem ist es in dieser Bedeutung im Hochdeutschen ganz veraltet. Im Lateinischen wurde Nomen in diesem Verstande schon im 4ten Jahrhunderte gebraucht.

Anm. Dieses überaus alte Wort lautet bey dem Ulphilas Namo, bey dem Kero und im Isidor Nemi, bey dem Willeram und seinen Zeitgenossen Namo, im Nieders. Name, im Angels. Noman, Nama, im Engl. Name, im Schwed. Namn, im Finnländ. Nimi, im Irländ. Nimb, im Wallach. wo es auch die Nachrede bedeutet, Neme, im Alban. Nam, sogar im Pers. Nam, und im Malabar. Namam. Das Krainerische Imi hat das n weggelassen, so wie das Dänische Nave und Isländ. Nafn einen andern Endlaut haben, und das Griech. ονομα noch ein o vor dem n angenommen hat. Es stammet gewiß nicht von dem Lat. Nomen her, von welchem allenfalls das Ital. Nome und Franz. Nom entlehnet seyn können, sondern ist ein alter Seitenverwandter desselben, wie aus dessen augebreitetem Umfange wohl erweislich ist. Es stammet von dem im Hochdeutschen veralteten Zeitworte nahmen her, welches noch in dem Niederdeutschen nöhmen, und in den Oberdeutschen benahmen, beniehmen, benahmsen übrig ist, und ehedem nicht bloß nennen, sondern reden, sprechen, überhaupt bedeutet hat, so daß es allerdings als ein naher Verwandter von dem Hebr. נאם, sprechen, angesehen werden muß. Unser vernehmen, hören, scheinet gleichfalls zu diesem Geschlechte zu gehören. S. auch Nennen.

Einige Mundarten pflegen diesem Worte in der ersten einfachen Endung gern noch ein müßiges n anzuhängen, der Nahmen, so wie sie auch der Glauben, Samen, Knaben u.s.f. für Glaube,[419] Same, Knabe sagen. Man gibt dieses gemeiniglich der Obersächsischen Mundart Schuld; allein hier wird solches doch bey weiten nicht so häufig gehöret, als in andern Gegenden.

Der Regel nach muß dieses Wort mit einem h geschrieben werden, weil die vier flüssigen Buchstaben l, m, n, r, dasselbe gern vor sich haben. Man hat es auch bis auf Gottscheds Zeit beständig so geschrieben. Dieser verbannete das h, theils weil er glaubte, daß dieses Wort unmittelbar von dem Lateinischen abstamme, welches ohne h geschrieben wird, theils um den Feinden des h doch in etwas nachzugeben. Beyde Bewegungsgründe waren unzulänglich, und der erste völlig falsch. Gesetzt aber auch, Nahme stamme von dem Lat. Nomen her, so hat es doch seit undenklichen Zeiten das Bürgerrecht gewonnen, und sich in andern Umständen der Deutschen Sprache gemäß gebildet, so, daß es sich auch in der Schreibart nach derselben fügen muß. Wer daher Name schreiben will, weil es dem Lateinischen gemäßer ist, muß vielmehr Nome oder Nomen schreiben, welches ihm noch ähnlicher ist.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 417-420.
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