Reiher, der

[1052] Der Reiher, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Sumpfvögel, welcher lang und geschlank ist, lange Füße und Zehen, einen langen Hals und einen langen spitzigen Schnabel hat, mit welchem er die Fische, welche seine Nahrung sind, aus dem Wasser hohlet und durchbohret; Ardea cinerea L. der ihn mit dem Kraniche und Storche zu Einem Geschlechte rechnet, welches bey dem Klein das Geschlecht der Angler ist. Es gibt mehrere Arten von diesem Vogel, und bey dem Klein kommen deren vierzehen vor, wohin auch der Moosreiher oder die Rohrdommel, der Nachtreiher oder Nachtrabe u. a. m. gehören. Wegen einiger Ähnlichkeit in der Gestalt wird auch eine Art Sand- oder Strandläufer, das Reiherlein, Reigerlein, und zum Unterschiede von dem vorigen Sandreiher genannt; Matricula Glareola V. Klein.

Anm. Dieser Vogel heißt im Schwabenspiegel Raiger, und noch jetzt in einigen gemeinen Mundarten Reiger, welche Form unter andern auch in der Deutschen Bibel vorkommt, im Nieders. Reier und Regger, im Angels. Hragra. Es gibt mehrere Wörter, welche auf die Abstammung dieses Wortes, und wie es scheinet mit gleichem Rechte, Anspruch machen können. Er kann seinen Nahmen von dem Reihen, d.i. Schreyen, haben, S. 1 Reihen; wenigstens sind der Nachtrabe, die Rohrdommel und andere Reiherarten, so wie der verwandte Kranich, von ihrem eigenthümlichen Geschreye benannt worden. Der Grund der Benennung kann aber auch in seinen langen Füßen, Halse und Schnabel liegen, da denn sein Nahme ein Verwandter von reichen seyn[1052] würde. Da aber die Reiher gemeiniglich in Gesellschaft fliegen, und daher auch Heergänse heißen, so kann auch dieß der Grund ihres Nahmens seyn, von Reihe, so fern es überhaupt eine Menge bedeutet. Ein anderer Umstand, der hier in Betrachtung kommt, ist der, daß die Reiher gern in langen Reihen, einer hinter den andern fliegen, wo denn das Wort Reihe in seiner heutigen Bedeutung das Stammwort seyn, und der Lateinische Nahme Ardea mit Ordo verwandt seyn würde. Im Dänischen heißt dieser Vogel Heire, im Norweg. Heigre, im Schwed. Häger, im Engl. Heron, im Franz. Hairon, welche entweder zu Heer oder ar, hoch, gehören, oder auch vermittelst der nicht ungewöhnlichen Versetzung des r mit Reiger Eines Ursprunges sind, wie das Ital. Aghirone, Agherone und Airone. In einigen Oberdeutschen Gegenden heißt er, dem Henisch zu Folge, Aigel. Weil dieser Vogel das Gegessene wieder von sich speyet, so heißt er im Malabarischen Kokku, von kakkum, speyen, welches mit unserm köken, kotzen und kacken verwandt ist, um welches Umstandes willen vermuthlich auch der Storch im Ägyptischen Kukupha, im Arab. Al-Koko, und im Latein. Ciconia heißt.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1052-1053.
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