Sanft

[1277] Sanft, -er, -este, adj. et adv. welches in seinen meisten Bedeutungen dem rauh entgegen gesetzet ist, und so wie alle Wörter zunächst eine in das Gehör fallende Eigenschaft ausdruckt.

1. Im eigentlichsten Verstande, da es von dem Laute gebraucht wird, und die gelinde, leise, und doch dabey angenehme Eigenschaft eines Tones oder Lautes bezeichnet, diejenige Eigenschaft, da er nur schwach in das Gehör fällt; im Gegensatze des heftig, laut, stark.

1) In der engsten Bedeutung, für das niedrigere sacht. Ein sanftes Sausen, 1 Kön. 19, 12. Sanft reden, sprechen, leise, schwach. Eine sanfte Stimme haben. Ich höre das sanfte Geschwätz eines nahen Baches. Das sanfte Murmeln der Quelle.

2) Da Laut und Bewegung unzertrennlich verbunden sind, so wird es in weiterer Bedeutung auch sehr oft von einer angenehmen gelinden Bewegung, im Gegensatze einer starken oder heftigen, gebraucht. (a) Eigentlich, wo es in der anständigern Sprechart für das niedrigere sacht gebraucht wird. Machet Bahn dem der da sanft herfähret, Ps. 68, 5. Sanft gehen, reiten; wofür doch theils leise, theils langsam üblicher sind. Sanft wandelnd, Klopst. Sanft spielt ein leichter Wind auf dem vergoldten Teich, Willam. Wie sanft rieselst du vorüber, kleine Quelle! Geßn. Ihr Wellen hüpfet sanft ums Schiff, ebend. Nach dem Maße als die Donau sanfter floß. (b) Figürlich, wo es α) allen heftigen, starken, und im hohen Grade lebhaften, aber dabey angenehmen Gemüthsbewegungen, Empfindungen und Eindrücken entgegen gesetzet ist, auf eine angenehme Art schwach. Ein sanftes Licht.


Sanft wie das Morgenlicht,

Das über frische Rosen gleitet,

Uz.


Laß uns den Glanz des Abendrothes und den sanften Schimmer des Mondes betrachten, Geßn. Sanfte zärtliche Empfindungen. Dieß Herz, das so sanft schlägt. Sanfte[1277] Entzückungen, ein sanftes Vergnügen, eine sanfte Freude. Unschuld lächelt sanft auf ihren Wangen, Geßn.


In deinen Augen quillt die sanfte Zähre,

Schleg.


Sanft umfängt die Nacht ihn mit süßem Schlummer, Geßn. Sanft schlafen. Ein sanfter Tod. Besonders in Ansehung des Betragens gegen andere, alle lebhafte unangenehme Empfindungen gegen andere vermeidend. Sanft regieren, im Gegensatze des strenge. Sanfte Sitten haben, im Gegensatze der rauhen. Ein sanftes Betragen. Sanft mit jemanden umgehen.


Wenn ungezähmte Boßheit der sanften Warnung lacht,

Dusch.


Jemanden einen sanften Verweis geben. Ein gutes und sanftes Herz. β) Sich nach und nach erhebend, sich in einem weiten Raume erhebend; im Gegensatze des jäh und prallig. Ein sanftes Gebirge, im Bergbaue, welches sich nur nach und nach erhebet. Eine sanfte Anhöhe. Im Bergbaue auch sänftig.

2. Nach einer noch weitern Figur wird dieses Wort besonders von dem Gefühle gebraucht, wegen seiner Schwäche einen angenehmen Eindruck auf das Gefühl machend; wo es von mehrern Arten dieser Empfindung gebraucht wird. Eine sanfte Luft, welche einen schwachen aber dabey angenehmen Eindruck macht. Sanfte Hände, eine sanfte Haut haben, eine weiche, gelinde, im Gegensatze der harten. Jemanden sanft anrühren. Sanft liegen. Ein sanftes Bett, ein sanftes Küssen, ein sanfter Stuhl. Jemanden sanft streicheln. Ich will mein Haupt nicht eher sanft legen, bis ich meine Absicht erreiche. Das fühlt sich sanft an, weich und gelinde.

Anm. Dieses Wort hat in allen Bedeutungen den Nebenbegriff des Angenehmen bey sich. Es lautet schon bey dem Kero, Notker und Willeram samft, semfte, die es theils für möglich, theils auch für leicht und weich gebrauchen, und es dem unsamft entgegen setzen; bey dem Winsbeckinn senft, und noch in vielen gemeinen Sprecharten samft. Da m und n oft nur müßige Begleiter der Blaselaute sind, so lautet dieses Wort im Engl. und Angels. soft, im Ital. soffice, und selbst in einer Oberdeutschen Urkunde von 1400 sewft, seuft. Junius leitete es von Saft, succus, her, Wachter von ευτονος, Frisch aber von ἁπτομαι, berühren. Allein es ist erweislich genug, daß der Begriff der langsamen, gleitenden Bewegung in diesem Worte der herrschende ist, in welcher Betrachtung es denn allerdings mit Saft verwandt ist, S. dieses Wort. Der Begriff der Stille, der Ruhe, fließt ganz natürlich daraus, daher das Gothische Sef, das Angels. Sib, beyde für Ruhe, und das Hebr. שבת, ruhen, (S. Sabbath,) gleichfalls mit hierher gehören. Mit einem andern Endlaute hat das Niederdeutsche sacht vieles mit sanft gemein, ob es gleich den Nebenbegriff des Angenehmen nicht bey sich führet.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1277-1278.
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