-Schaft

[1331] -Schaft, eine Ableitungssylbe, welche Hauptwörter, so wohl aus andern Hauptwörtern, als auch aus Beywörtern und Mittelwörtern der vergangenen Zeit, bildet, welche insgesammt und ohne Ausnahme weiblichen Geschlechtes sind. Schon Wachter und Frisch haben es eingesehen, daß diese Sylbe von schaffen herstammet, und daß besonders die Bedeutung des Bildens, der Einrichtung des Zufälligen in einem Dinge, in derselben zum Grunde lieget. Sie hat in den Wörtern, in welchen sie vorkommt, eine doppelte Hauptbedeutung.

1. Eine abstracte, denjenigen Zustand, diejenige Beschaffenheit zu bezeichnen, welche die erste Hälfte des Wortes näher bestimmet; wo der Plural, der Regel nach, nicht Statt findet, einige wenige Fälle ausgenommen. Von dieser Art sind z.B. Brüderschaft der Stand eines Bruders, die Eigenschaft, nach welcher jemand ein Bruder ist, die Bereitschaft, Bürgschaft, Bekanntschaft, Endschaft, Feindschaft, Freundschaft, Gefangenschaft, Gemeinschaft, Gevatterschaft, Gesandtschaft, Handelschaft, Herrschaft, Jungfrauschaft, Junggesellenschaft, Kindschaft, Kundschaft, Knechtschaft, Leibeigenschaft, Nachbarschaft, Pilgerschaft, Rechenschaft, Schwangerschaft, Sippschaft, Verwandtschaft, Wanderschaft, Wissenschaft u.s.f. In welchen allen der Begriff der Beschaffenheit, des Zustandes, der eigentliche und herrschende ist, wenn sich gleich in manchen allerley kleine Nebenbedeutungen mit eindrängen.

2. Eine concrete, wo es wieder in doppelter Gestalt üblich ist. 1) Als ein Collectivum, die sämmtlichen mit einander verbundenen[1331] Dinge von einer und eben derselben Beschaffenheit oder Art zu bezeichnen. Die Barschaft, das sämmtliche bare Vermögen, die Bürgerschaft, die sämmtlichen Bürger eines Ortes, die Bauerschaft, Brüderschaft, Bekanntschaft, Corporalschaft, Dorfschaft, die sämmtlichen Einwohner eines Dorfes, Erbschaft, das sämmtliche geerbte Vermögen, Gesellschaft, Geräthschaft, Hauptmannschaft, Judenschaft, Kaufmannschaft, Hinterlassenschaft und Verlassenschaft, Landschaft, die sämmtlichen Landstände, ingleichen, eine Gegend mit allen darin befindlichen Dingen, Mannschaft, Nachkommenschaft, Gesandtschaft, die sämmtlichen zu einem Gesandten gehörigen Personen, die Eidgenossenschaft, die Völkerschaft u.s.f. Der Plural kann hier nur von mehrern verbundenen Ganzen Satt finden, allein einige sind doch von einem und eben demselben Ganzen so wohl im Singular als im Plural üblich, wie Barschaft und Barschaften, Geräthschaft und Geräthschaften. Briefschaften ist nur allein im Plural gangbar. 2) Als ein Individuum; doch nur in einigen wenigen Fällen, welche auch hier ursprünglich entweder Collectiva oder Abstracta sind. Die Buhlschaft, ehedem eine geliebte Person. Die Eigenschaft, eine Beschaffenheit, welche einem Dinge eigen ist. Wissenschaft, Herrschaft, Grafschaft sind eigentlich auch Collectiva, und bedeuten, so fern sie hierher gehören, den Umfang aller Wahrheiten Einer Art, den Umfang aller einem Grafen oder Herren gehörigen liegenden Gründe.

Anm. Diese Ableitungssylbe ist sehr alt, bey dem Kero und Ottfried lautet sie scaf, sceff, im Nieders. schup und schap, im Schwed. skap. Daß die letzte Sylbe in Petschaft nicht hierher gehöre, ist schon bey diesem Worte bemerket worden. Von einigen wenigen Hauptwörtern dieser Art macht man vermittelst der Endsylbe -er neue Hauptwörter, eine Person männlichen Geschlechtes zu bezeichnen. Der Bothschafter, der Bothschaft bringet, der Gesellschafter, ein Glied einer Gesellschaft, der Kundschafter, Wirthschafter. Diese Ableitungssylbe kommt in der Bedeutung sehr mit den Sylben -heit, -keit, -de und -thum überein. Indessen ist es nicht erlaubt, sie mit einander zu verwechseln, so wenig als man vermittelst derselben ohne Unterschied neue Hauptwörter bilden darf, welches nur in wenig Fällen gewagt werden kann, auch kein großer Verlust ist, weil man andere Wörter genug hat, jeden verlangten Begriff auszudrucken. Z.B. das irgendwo gewagte Hirtenschaft wird der Sache nach eben so gut, in Ansehung des Gehöres aber noch besser, durch Hirtenstand ausgedruckt.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1331-1332.
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