Stier, der

[373] Der Stier, des -es, plur. die -e, Diminut. das Stierchen, Oberd. Stierlein, der Mann oder das männliche Geschlecht der Kühe. So wird der Mann der zahmen Kühe, der Bulle, Brumm-, Herd- oder Zuchtochs in manchen Gegenden noch der Stier oder Stierochs genannt. S. Stieren. Indessen ist es doch im Hochdeutschen von der wilden Art dieses Geschlechts am üblichsten, der wilde Stier, oder wilde Ochs, dessen größere Arten Büffel und Auerochsen genannt werden. Siehe Stiergefecht. Das Zeichen des Stiers, eines der zwölf Zeichen in dem Thierkreise, wo das Wort Ochs nicht üblich ist. In engerer Bedeutung ist der Stier in manchen Gegenden ein solcher junger zahmer Stier, so lange er noch nicht drey oder vier Jahre alt ist, da er denn auch wohl diesen Nahmen führet, wenn er geschnitten ist. Schon bey dem Ulphilas [373] Stiurk, im Engl. Steer, Stirk, im Angels. Steor. In manchen Gegenden wird ein solcher junger Ochs oder Stier im Diminut. ein Stärken genannt, dagegen die Starke oder Stärke in Meißen und Niedersachsen eine junge Kuh ist.

Anm. Wenn man den Zischlaut als einen bloßen müßigen oder höchstens intensiven Vorschlag ansiehet, so ist es eines der ältesten Wörter in der Sprache, indem es in der ersten weitern Bedeutung im Dän. Tiur, im Schwed. Tarb und Tjur, im Ißländ. Tyr, im Griech. und Latein. Taurus, im Phönicischen Thor, und im Hebr. gleichfalls טור lautet. Mit dem Zischlaute ist des Ulphilas Stiurk, ein junger Stier, welches das Diminut. von Stiur ist, das älteste. Dieses hohe Alter macht den eigentlichen Stammbegriff dunkel und ungewiß, indem das eben so alte stor, in andern alten Sprachen tor, groß, daß in einigen Gegenden noch gangbare stären, stieren, sein Geschlecht fortpflanzen, das alte Celtische und noch Wallisische taru, stoßen, und andere mehr mit gleichem Rechte darauf Anspruch machen können. Das Schwedische Tjur bedeutet auch Vieh überhaupt, und ist also auch mit unserm Thier verwandt. S. auch Stähr, ein Widder, welches in einigen Gegenden auch Stier lautet, und Stähren.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 373-374.
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