-Thum

[589] -Thum, ein jetzt für sich allein im Hochdeutschen veraltetes Wort, welches nur noch als eine Ableitungssylbe gebraucht, und gewissen Bey- noch mehr aber Hauptwörtern angehänget wird, neue Hauptwörter daraus zu bilden. Diejenigen Wörter, an welchen dasselbe befindlich ist, bedeuten: 1. Eine Gerichtbarkeit, ein Gebieth, einen Bezirk. Dergleichen sind Kaiserthum, Herzogthum, Markgrafthum, Fürstenthum, Burggrafthum, Bißthum, das Gebieth oder Landesbezirk eines Kaisers, Herzogs, Markgrafen u.s.f. Das Witthum, das einer Wittwe zu ihrem Aufenthalte und Unterhalte ausgesetzte Grundstück. Ehedem sagte man auch Königthum, Angels. Cynedome, Engl. Kingdom, Holländ. Koningdom, für Königreich. In andern ist dafür das Wort -schaft üblich, z.B. Grafschaft. Alt-Fries. bedeutete Dom, Habe, Gut, wovon noch das Nieders. Ingedom, Ingedömte, Hausrath, gleichsam innere Habe, herstammet. Im mittlern Lat. kommt Doma mehrmahls für Acker, Landgut vor. 2. Es scheinet, daß dieses Wort auch zuweilen als ein Collectivum gebraucht worden, alle unter der ersten Hälfte des Wortes begriffene Individua zu bezeichnen. Diese Bedeutung, welche genau aus der vorigen fließt, ist zwar jetzt größten Theils veraltet, allein man findet noch Spuren davon in Heidenthum, die sämmtlichen Heiden, das Alterthum, die sämmtlichen zu alten Zeiten lebenden Menschen, das Papstthum, so wohl der ganze Theil des Erdbodens, in welchem die päpstliche Religion herrschet, als auch die sämmtlichen Bekenner derselben. So auch das Judenthum, Christenthum, Lutherthum. Allein, es kann diese Bedeutung auch eine Figur der folgenden vierten seyn. Indessen gebrauchte noch Logau Menschenthum für das menschliche Geschlecht:


Würdig bist du, daß dein Ruhm

Bleibt, weil bleibt das Menschenthum.


3. Die Würde, Macht; eine mit den beyden vorigen sehr genau verbundene Bedeutung, welche diese Sylbe ehedem in sehr vielen Wörtern, welche aber im Hochd. größten Theils veraltet sind, hatte. Noch jetzt sagt man das Priesterthum, für die priesterliche Würde. Das Heermeisterthum, die Würde eines Heermeisters. Allein, ehedem hatte man auch das Schultheißenthum, das Zöllnerthum, das Münzmeisterthum u.s.f. Bey dem Ottfried ist Todesduam, die Macht des Todes. Auch Papstthum, Kaiserthum, Herzogthum u.s.f. wurden ehedem sehr häufig von der bloßen Würde gebraucht. Im Schwed. ist Döme, Macht, Gerichtbarkeit, und das Lat. Dominus, ist ohne Zweifel damit verwandt. 4. Noch häufiger hilft dieses Wort Abstracta bilden, einen Zustand, eine Eigenschaft zu bezeichnen, welche durch die erste Hälfte des Wortes näher bestimmt werden. Das Eigenthum, der Zustand, da jemand ein Ding als sein eigen besitzet, das Alterthum, da ein Ding alt ist, der Reichthum, da jemand reich ist, der Wachsthum, da ein Ding wächset, das Christenthum, da jemand ein Christ ist. Ehedem hatte man weit mehrere Wörter dieser Art, welche jetzt theils mit den Ableitungssylben -schaft, -lichkeit und -igkeit, theils mit andern üblich sind. Beyspiele sind: Leibeigenthum, Leibeigenschaft, Magdthum, Jungferschaft, Herthum, Herrlichkeit, Majestät, Süßthum, Süßigkeit, Wißthum, Weisheit, Todesthum, Sterblichkeit u.s.f. 5. Nach einer bey solchen Abstractis sehr gewöhnlichen Figur, werden diese Wörter oft wieder gebraucht, Concreta zu bezeichnen, von welchen dieser Zustand, obgleich in verschiedener Rücksicht, gesagt werden kann. Das Alterthum, ein Ding, welches ein hohes Alterthum besitzt, der Beweisthum, ein Satz, welcher einen Beweis abgibt, das Eigenthum, ein Ding, welches jemand als eigen besitzet, über welches er das Eigenthum hat, das Heiligthum, ein heiliges[589] Ding, ein heiliger Ort, der Reichthum, ein Ding, welches reich macht, der Irrthum, u.s.f. Auch Christenthum, Papstthum, Judenthum, Heidenthum, Lutherthum scheinen hierher zu gehören, wenn sie die christliche, päpstliche u.s.f. Religion bedeuten, ob sie gleich auch alsdann zur vorigen Bedeutung gerechnet werden können.

Anm. 1. Diese alte Ableitungssylbe ist heutiges Tages im Hochdeutschen von einem eingeschränkten Gebrauche, das heißt, es stehet nicht in jedes Deutschen Gewalt, neue Wörter damit zu bilden, welches vielleicht nur in überaus wenig Fällen erlaubt seyn dürfte. Die meisten damit verbundenen Wörter sind ungewissen Geschlechtes; Beweisthum, Irrthum und Reichthum ausgenommen, welche männlich sind. Es lassen sich auch von den damit gemachten Wörtern nicht leicht andere ableiten; Eigenthümer, eigenthümlich, Eigenthümlichkeit etwa ausgenommen. Welches alles den eingeschränkten Gebrauch dieser Endsylbe im Hochdeutschen zeiget.

Anm. 2. Wenn man diese Sylbe in ihrem ganzen Umfange nimmt, so bleibet fast kein Zweifel übrig, daß sie nicht von dem überaus alten Dom, Dum, Gericht, abstammen sollte, welches in allen mit der Deutschen verwandten Sprachen angetroffen wird, aber alsdann in seiner ursprünglichen weitern Bedeutung genommen werden muß, in welcher es Macht und Herrschaft überhaupt bedeutet hat. Das alte Oberdeutsche Duom, Thuom, das Angels. Dame, Dome, des Ulphilas Duomi, und selbst das Russische Dum, bedeuten Gericht, so wie im Tatian Thuomo, und im Angels. Dema, ein Richter, im Dänischen Dom, ein Urtheil, und noch jetzt im Nieders. dömen, ein Urtheil fällen ist; welche Bedeutungen insgesammt Figuren von der ersten Bedeutung der Macht oder Herrschaft zu seyn scheinen, so daß auch das Griech. θεμις und die Lat. domare und Dominus, mit zur Verwandtschaft gehören. Aus dieser Abstammung erhellet zugleich die Nothwendigkeit des th; weil alle alte Mundarten und Sprachen in demselben ein weiches d haben, welches im Hochdeutschen sehr oft durch ein th ausgedruckt wird.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 589-590.
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