Thurm, der

[597] Der Thurm, des -es, plur. die Thürme, Diminut. das Thürmchen, Oberd. Thürmlein, ein hohes Gebäude, dessen Höhe, die Breite und Länge weit übertrifft. Ein spitziger Thurm, im Gegensatze eines stumpfen. Ein hölzerner Thurm, zum Unterschiede von einem steinernen oder massiven. Der Kirchthurm, Glockenthurm, Schloßthurm, Pulverthurm, Wachthurm, Leuchtthurm oder Feuerthurm u.s.f. Auf den Thurm steigen. Der Babylonische Thurm. Auch ein solches Gebäude auf einem andern, da manche Häuser und Gebäude Thürme oder Thürmchen haben. Da die Thürme sowohl an den Rathhäusern als auch über den Thoren häufig zu Gefängnissen gebraucht wurden, und noch jetzt gebraucht werden, so wird Thurm sehr oft für Gefängniß gebraucht, auch wenn es sich eben nicht mehr in einem eigentlichen Thurme befindet. Jemanden in den Thurm stecken. Aber, ihn auf den Thurm setzen, u.s.f. setzet ein Gefängniß in[597] einem wahren Thurme voraus. Von dem Thurme in dem Schachspiele, S. 2 Roche.

Anm. Bey dem Notker Turre, im Theuerdank Turen, im Niederd. Toorn, Tahren, im Angels. Tor, im Engl. Towr, Tor, im Schwed. Torn, im Ißländ. Turn, im Irländ. Tor, im Franz. Tour, im Bretagn. Twr, im Poln. Turma, im Lat. Turris, im Griech. τυρσις, im Hebr. ציר und סהר (Tzur und Sohar,) weil s und t sehr leicht in einander übergehen, im Syr. Tur. Es ist wohl gewiß, daß der Begriff der Höhe in diesem Worte der Stammbegriff ist, und daß es von dem alten thor, tor, groß, hoch, abstammet, welches aus dem Zeitworte thürmen noch deutlicher erhellet. Daher bedeutet im Engl. Tor nicht nur einen Thurm, sondern auch einen hohen Felsen. Die Form Thurn für Thurm ist im Hochdeutschen veraltet, so wie der Plural die Thürmer für Thürme nur in einigen gemeinen Mundarten üblich ist.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 597-598.
Lizenz:
Faksimiles:
597 | 598
Kategorien: