Tuch, das

[713] Das Tūch, des -es, plur. die Tücher, Oberd. Tuche. 1. Ein Gewebe, ein Gewirk, es sey von welcher Art oder Materie es wolle; wo der Plural nur von mehrern Arten gebraucht wird. In dieser weitesten Bedeutung, wenn es anders dieselbe jemahls gehabt hat, so daß es mit dem verwandten Zeug gleichbedeutend gewesen seyn würde, ist es jetzt veraltet, indem man es nur in engerer Bedeutung von einigen Arten fest oder derb geschlagener Zeuge gebraucht. 1) Eine Art fest geschlagener Leinwand. So wird eine sehr feine, zu Cambray gewirkte, aber sehr fest geschlagene Leinwand Kammertuch genannt. Am üblichsten ist es in dieser Bedeutung von einem groben, starken fest geschlagenen Gewebe, welches gemeine Leute zu Hemden tragen, und in Obersachsen nicht Leinwand, sondern Tuch genannt wird. Leinen Tuch weben. 2) Eine Art wollenen Gewebes, welches derb und fest geschlagen wird, und hernach die volle Walke bekommt; ein dickes Gewebe, wo die Wolle des Einschlages den Faden der Kette bedeckt, und durch die Walke auf derselben in einen zarten Filz verwandelt wird. Dadurch unterscheidet es sich so wohl von den Zeugen, welche ungewalkt bleiben, oder nur die halbe Walke bekommen, als auch von den tuchartigen Zeugen, welche mehr oder weniger gewalkt, und dadurch dem Tuche ähnlich gemacht werden, auch allemahl ihre eigenen Nahmen haben, wohin der Kirsey, Perpetuell, Molton, Flanell, Frieß u.s.f. gehören. Zur Verfertigung des eigentlichen Tuches gehören dreyerley Arbeiter, der Tuchmacher oder Tuchweber, der Walker und der Tuchbereiter, welche doch nur eine einzige Zunft ausmachen. Im Nieders. wird dieses Tuch so wohl Laken als Wand genannt.

2. So viel eines solchen Gewebes, als auf Ein Mahl verfertiget wird. In diesem Verstande ist es nur in einigen Gegenden üblich, indem im Hochdeutschen dafür Stück üblicher ist. In Nürnberg hält Ein Tuch 32 Ellen. An andern Orten ist Ein Tuch Leinwand (in Obersachsen ein Stück, eine Webe) 50 Ellen. Der Plural lautet alsdann, nach dem Muster so vieler anderer Wörter, welche eine Zahl, Maß oder Gewicht bedeuten, entweder unverändert Tuch, sechs Tuch, oder auch nach Oberdeutscher Art Tuche.

3. Ein gemeiniglich vierecktes Stück gewirkten Zeuges, es sey von welcher Materie oder Art es wolle; Diminut. Tüchlein, im gemeinen Leben Tüchelchen, Oberd. Tüchel. Man gebraucht es[713] in diesem Verstande ohne Unterschied der Größe, besonders in solchen Fällen, wo ein solches Stück keinen eigenen Nahmen hat, da denn dessen nähere Bestimmung durch die Zusammensetzung bezeichnet wird. Ein Altartuch, (von Wolle, Seide, Sammt oder Leinwand, gestickt oder ungestickt,) das Betttuch, (von Leinwand,) Tischtuch, Handtuch, Regentuch, Windeltuch, Schnupftuch, Wischtuch, Halstuch, Kopftuch, Nachttuch. Seidene Tücher, Schnupf- oder Halstücher. Die haben mit dir gehandelt mit seidenen und gestickten Tüchern, Ezech. 27, 24. Etwas durch ein leinen Tuch seihen, durch ein viereckt Stückchen Leinwand. Etwas mit einem Tuche abwischen. Sich mit warmen Tüchern reiben. Ein solches kleineres Stück heißt im Niederdeutschen gleichfalls Dook, ein größeres aber, dergleichen ein Tischtuch oder Betttuch ist, Laken. Im Jagdwesen sind die Jagdtücher oder auch nur schlechthin Tücher, Wände von starker Leinwand, womit bey dem Bestätigungsjagen ein Revier im Walde umstellet wird, und welche auch collective der Zeug heißen. Man hat daselbst hohe Tücher, Mitteltücher, Lauftücher u.s.f. In einigen, obgleich nur wenigen Fällen, ist Tuch auch der Nahme eines Kleidungsstückes; z.B. ein Brusttuch. Im Oberdeutschen ist Vortuch die Schürze. In einigen gemeinen Oberdeutschen Mundarten ist tücheln so viel wie kleiden. Die Eine Frau war hübsch getüchlet, Stettler.

Anm. Schon bey dem Ottfried ist Duaho, Leinwand, und Duah, ein Kleid. Im Tatian lautet dieses Wort Tuoch, im Schwabensp. Tuch, im Schwed. und Isländ. Duk, welches daselbst ein jedes grobes starkes Gewebe bedeutet. Wachter leitete dieses Wort von tegere, decken, her, wovon auch Toga abstammet, Frisch aber von Tunica, (im Dän. ist auch Dung, Tuch). Beyde Ableitungen haben ihre Wahrscheinlichkeit, erschöpfen aber das Ganze nicht. Es scheinet vielmehr, daß sich zufälliger Weise zwey verschiedene gleichlautende Wörter in unserm Tuch vereiniget haben; Eines, welches mit Decke, tegere, Toga, Tunica, Eines Geschlechtes ist, und wohin unser Tuch in der dritten Bedeutung, das Niedersächsische Dook, ein Tuch, döken und doken, mit einem Tuche bedecken, und das Hebr. דק, Tuch, Decke, Vorhang, gehören, (S. auch Zeug,) und Eines, welches ein dickes, derbes und festes Gewebe bedeutet. Von dem letztern findet sich das Zeitwort noch bey dem Ottfried, wo duachen, constipare, comprimere, filzen, und giduahit, verfilzt ist, welches das Stammwort unseres Tuch in der ersten Bedeutung, und ein Verwandter von dick zu seyn scheint.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 713-714.
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