Übertreiben

[781] Übertreiben, verb. irreg. S. Treiben. 1. Ǘbertreiben, ich treibe über, übergetrieben, über zu treiben. (1) Über etwas treiben, der ganzen Oberfläche nach, und mit Verschweigung derselben. Das Vieh übertreiben, über das Feld, über die Saat. (2) Über ein gesetztes Ziel der Höhe treiben, oder steigen machen. So treibt man in der Chemie einen Körper über, wenn man ihn destillieret, indem man seine flüchtigsten Theile nöthiget, in die Höhe des Helmes zu steigen und abzufließen.

2. Übertreiben, ich übertreibe, übertrieben, zu übertreiben, zu sehr treiben. (1) Eigentlich. Das Vieh übertreiben, es stärker treiben, als dessen Kräfte verstatten. Wenn die säugende Kühe einen Tag übertrieben würden, würde mir die ganze Herde sterben, 1 Mos. 33, 13. Einen Arbeiter, eine Arbeit übertreiben, zu sehr treiben. (2) Figürlich übertreibt man etwas, wenn man in der Intensität die Gränzen der Wahrheit, der Klugheit, der Billigkeit des Üblichen u.s.f. überschreitet. Man übertreibet in einer Erzählung etwas, wenn man es größer, wichtiger, gefährlicher u.s.f. vorträgt, als es in der That ist. Eine Strafe übertreiben, schärfer strafen, als es das Verhältniß des Verbrechens erfordert. Man sagt, jemand übertreibe alles, wenn er alles zu weit treibet, in keinem Stücke die Gränzen der Wahrheit, Klugheit u.s.f. beobachtet. Man hat die Lobsprüche der Freundschaft oft auf Kosten der allgemeinen Menschenliebe übertrieben, Gell. Ein Mahler übertreibt das Colorit, wenn es an Farbe zu hoch ist. Daher das Mittelwort übertrieben, als ein Bey- und Nebenwort. Das ist übertrieben. Übertriebene Lobeserhebungen. Damit seine (des Menschenfreundes) allgemeine Güte und Gefälligkeit nicht übertrieben werde, und selbst in einen Fehler des Herzens ausarte, Gell. Daher die Übertreibung am häufigsten in dieser letzten figürlichen Bedeutung.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 781.
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