Vergeben

[1039] Vergêben, verb. irreg. act. S. Geben, welches in verschiedenen Bedeutungen vorkommt.

1. Falsch geben, von Ver 1 (2) (g). Sich vergeben, sich im Geben oder Ausgeben irren. Die Karten vergeben, sie falsch geben. Die Karten sind vergeben. Daher das Vergeben, indem die Vergebung in dieser Bedeutung nicht üblich ist.

2. Die bestimmten Abgaben von etwas geben, mit dem Accusativ dieses etwas. Eine Waare vergeben, die Accise, den Zoll davon geben. Der Wein ist noch nicht vergeben. Sein Vermögen vergeben, die Vermögensteuer davon entrichten. Es ist[1039] hier ein allgemeiner Ausdruck, welcher das versteuern, veraccisieren, verzollen u.s.f. unter sich begreift.

3. Gift beybringen und dadurch tödten, durch Gift hinrichten. Man gebrauchte es ehedem mit der dritten Endung der Person. Einem im Essen vergeben, Theuerd. Es ist ihm vergeben worden. Leider, ihm ward vergeben, Horneck. Im Oberdeutschen sagt man noch jetzt einem mit Gift vergeben. Im Hochdeutschen gebraucht man es nie anders, als mit der vierten Endung der Person. Jemanden vergeben, oder ihn mit Gift vergeben. Er ist vergeben worden. Ratzen und Mäuse vergeben. Sich selbst vergeben. Die Vorsylbe scheint hier eine Destruction zu bezeichnen, S. Ver I (2) (h). Daher das Vergeben, und, obgleich seltener, die Vergebung.

4. * Ohne Wirkung, ohne gehofften Nutzen geben, so daß die Partikel die Bedeutung des Verlustes hat, S. Ver 1 (2) (c). Es ist in dieser Bedeutung veraltet, von welcher indessen doch vergebens und vergeblich noch üblich sind. In einigen Gegenden, z.B. in Obersachsen, wird auch noch das Mittelwort vergeben für das sonst üblichere vergeblich gebraucht. Einem vergebene Mühe machen, Less. Eine vergebene Reise, Gell. Vergebene Eide schwören, Raben.

5. * Umsonst, ohne Lohn geben, eine mit der vorigen sehr nahe verwandte Bedeutung, welche aber gleichfalls veraltet ist. Das vergebene Himmelbrot, Seb. Frank, das umsonst gegebene.

6. Weggeben, an einem andern geben, wo ver die erste eigentliche Bedeutung der Entfernung hat. (1) Eigentlich, wo es doch nur in einigen Fällen üblich ist. Meine Hand ist schon vergeben. Seine Tochter vergeben, sie jemanden zur Ehe versprechen, in einigen Gegenden auch, sie ausstatten. Den ausgesetzten Preis vergeben. Ein Stipendium, ein Amt, eine Bedienung vergeben. Die Stelle ist noch nicht vergeben. Wenn die Person ausgedruckt werden soll, so bekommt sie das Vorwort an. Ein Amt an jemanden vergeben. So auch die Vergebung. (2) Figürlich, mit der dritten Endung der Person, sich oder einem andern etwas vergeben, etwas von seinen oder des andern Befugnissen zu seinem oder dessen Nachtheile fahren lassen. Ich kann mir, meinem Rechte nichts vergeben, ich kann nichts von meinem Gerechtsamen zu meinem Nachtheile fahren lassen. Seinem Nachfolger etwas vergeben. Seiner Würde etwas vergeben, etwas thun oder dulden, was seiner Würde nicht angemessen ist. Er vergibt sich nichts, thut oder leidet nichts, was ihm nachtheilig wäre.

7. Die Schuld und Strafe einer zugefügten Beleidigung erlassen, und zugleich den durch die Beleidigung verursachten Unwillen fahren lassen, im mittlern. Lat. condonare, perdonare, im Französ. pardonner. Es scheinet in dieser Bedeutung eine Fortsetzung der vorigen zu seyn. Es lautet in derselben schon bey dem Ottfried firgeban, im Angels. forgifan, Engl. forgive. Jemanden ein Verbrechen, eine Beleidigung vergeben. Vergebet, so wird euch vergeben, Luc. 6, 37. Gott vergiebt die Sünde. Das kann ich dir nicht vergeben. In weiterm Verstande bedeutet es oft den Unwillen wegen einer Handlung fahren lassen. Ich würde es mir niemahls vergeben, wenn ich ihn unglücklich gemacht hätte. Vergeben wird in dieser Bedeutung am häufigsten, theils im theologischen Verstande von Gott, theils auch im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart gebraucht; in der edlern, besonders von hohen Personen, ist verzeihen, und von der gerichtlichen Erlassung der Schuld und Strafe, begnadigen üblicher.

Daher die Vergebung. Die Vergebung der Sünden, einer Beleidigung u.s.f.[1040]

Anm. Kero gebraucht farkeban für das einfache geben, der alte Übersetzer Isidors aber firgheban für constitutum.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1039-1041.
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