Versiegen

[1140] Versiegen, verb. regul. neutr. außer daß es im Mittelworte versiegen für versieget hat. Es erfordert das Hülfswort seyn, und bedeutet, nach und nach in die Erde einziehen und verschwinden, von flüssigen Körpern. Wie ein Strom versieget und vertrocknet, Hiob. 14, 11. Du lässest versiegen starke Ströme, Ps. 74, 15. Welchen die Wasserquellen versiegen waren, Ps. 107, 33. Der Schnee, der nach und nach zerschmilzt, läßt die Quellen im Sommer nie versiegen, Gell. Auch von Menschen und Thieren sagt man, wenn sie aufhören, Milch zu geben, sie versiegen, wofür auch vertrocknen üblich ist. Gib ihnen unfruchtbare Leiber und versiegene Brüste, Hos. 9, 14. Ingleichen in der edlern Schreibart: edle Thränen, warum versieget ihr? Weiße; warum höret ihr auf zu fließen?

Anm. Es ist von dem alten siegen, dem Stammworte von sinken, S. 1. 2. Siegen, und lautet in einigen gemeinen Mundarten auch verseigen und verseihen.


Der Ströme Fluth hat müssen dir verseigen,

Opitz.


Der ich spreche zu der Tiefe: verseige! Es. 44, 27. Das Activum versiegen für versiegen machen, d.i. austrocknen, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich. Es wird ein Ostwind kommen, der wird ihre Quelle versiegen, Hos. 13, 15. Wie denn auch das Neutrum in der edlern Schreibart üblicher ist, als in der Sprache des gemeinen Lebens.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1140.
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