-Zig

[1714] -Zig, eine Ableitungssylbe für Zahlwörter, Zehner von den Einern abzuleiten, vierzig, vier Zehner, oder viermahl zehen, achtzig, acht Zehner; neunzig, neun Zehner. Da die auf diese Art abgeleiteten Zahlwörter schon sehr alt sind, so ist es kein Wunder, daß die Nahmen der Einer dabey allerley Veränderungen erlitten haben, oder vielmehr Überreste sehr alter Formen sind: zwanzig für zweyzig, funfzig, in den gewöhnlichen Hochdeutschen Sprecharten fufzig, für fünfzig, sechzig für sechszig, siebzig für siebenzig. In dem einzigen dreyßig ist das z in das gelindere ß übergegangen. Die mit dieser Sylbe abgeleiteten Wörter sind dem Geschlechte und der Declination nach eben so unveränderlich, als alle Grundzahlen von drey an. Zwanzig Thaler, ein und zwanzig Weiber, drey und dreyßig Groschen. Nur wenn sie ohne Substantiv stehen, so bezeichnen sie den Dativ: einer von zwanzigen; er hat es wohl funfzigen gesagt.

Von den auf diese Art gebildeten Zahlwörtern lassen sich wieder mancherley Ableitungen bilden. So wohl Ordnungszahlen, der, die, das zwanzigste, dreyßigste u.s.f. als Verhältnißzahlen von diesen Ordnungszahlen, ein Zwanzigstel, Dreyßigstel, Vierzigstel; als Zeitzahlen, ein Zwanziger, ein Mensch von zwanzig Jahren, ingleichen ein Wein von 1720, ingleichen ein Mitglied eines Collegii von zwanzig Personen. So auch Dreyßiger, Vierziger u.s.f. Ferner halbirende Zahlwörter, zwanzigsthalb, dreyßigsthalb u.s.f.

Anm. Diese alte Ableitungssylbe lautet schon in dem Salischen Gesetze toc, bey den spätern Alemannischen und Fränkischen Schriftstellern zoch, zug, zuc, zeg, im Angelsächsischen und Niedersächsischen tig, im Schwed. tio, im Isländ. tiga, im Engl. ty. Gemeiniglich glaubt man, daß sie aus Zug entstanden sey, indem man in den ältesten Zeiten der rohen Einfalt immer zehn Einheiten zusammen gelegt, dann eine solche Sammlung zu der ersten gezogen, und folglich jede solche Sammlung einen Zug genannt. Vierzig würde also so viel als vier Züge bedeuten. Die Ableitung ist dem ersten Anblicke nach nicht unwahrscheinlich, und wird durch die alten Schreibarten, z.B. finfzugi bey dem Ottfried, achtuzug im Tatian, u.s.f. bestätigt; allein sie verliehrt bey einer genauern Untersuchung viel von ihrer Scheinbarkeit. Denn 1. ist die angegebene alte Art zu zählen noch mit nichts erwiesen, sondern wird zum Behuf dieser Ableitung bloß voraus gesetzt und vermuthet. 2. Die von diesen Grundzahlen abgeleiteten[1714] Ordnungszahlen sind bereits sehr alt, vermuthlich so alt, als jene. Im Kero ist ahtozogosto, der achtzigste, finfzugosto, der funfzigste, zehanzugosto, der hunderste. Wäre zig so viel als Zug, so wäre eine solche Ableitung Unsinn, und kein vernünftiger Mensch würde darauf haben fallen können, von dem Hauptworte Zug eine Ordnungszahl zu bilden. Es ist daher wahrscheinlicher, daß zig nichts anders als zehn bedeutet, und aus einer alten Mundart entlehnet ist, welche das h mit einem starken Hauche aussprach, wie im Lat. decem, Griech. δεκά. Im Schwedischen gebrauchte man dafür ehedem das Substantivum Tiug, Tijugh, welches Decadem, ein Decher, oder Zahl von zehen bedeutete; faem tijugh, fünf Decher, oder funfzig.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1714-1715.
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