Die Cabbala

[193] Die Cabbala. Der Name Cabbala, welcher durch mündliche Ueberlieferung verdeutscht wird, bezeichnet bei den Juden bald die Lehre von den Propheten, bald die vorälterlichen Sagen, bald aber, und zwar vorzüglich, die mystische Philosophie. Der Name Cabbala ist so alt noch nicht; was aber die cabbalistische Philosophie betrifft, so sind die Meinungen der Gelehrten über den Ursprung derselben sehr verschieden. Die Juden leiten die cabbalistischen Geheimnisse aus den ältesten Zeiten ihres Volks, ja von Adam selbst her. Wenn aber auch schon bei den Ebräern, wie bei den barbarischen Völkern, in den frühesten Zeiten ein geheimer Unterricht Statt gefunden hat, so ist dieses doch bloß in gottesdienstlichen Sachen der Fall gewesen. Was aber die philosophische Cabbala betrifft, so ist der Ursprung derselben in Egypten zu suchen, und von den Zeiten des Simeon Schetachides an zu rechnen, welcher sie aus Egypten nach Palästina gebracht hat. Sie wurde erst im zweiten Jahrhundert niedergeschrieben, damit sie mit der Zerstreuung des jüdischen Volks nicht verloren gehen möchte. Die neuern Ausleger haben viel fremdartiges hinein gemischt. Man theilt die Cabbala in die symbolische und reale. Die symbolische beschäftigt sich vorzüglich mit Buchstaben, denen sie geheimnißvolle Bedeutungen giebt; die reale, welche der symbolischen entgegen gesetzt wird, und Lehren begreift, wird wieder in die theoretische und practische [193] eingetheilt. Die theoretische sucht die heilige Schrift nach den geheimen Ueberlieferungen zu erklären, und ein philosophisches System der Metaphysik, Physik und Pnevmatik aus derselben aufzustellen; die practische hingegen verspricht uns eine Wissenschaft, Wunder zu thun, und zwar bloß durch eine künstliche Anwendung der göttlichen Namen und Sprüche in der heiligen Schrift. Nach der Wiederauflebung der Wissenschaften studirten viele gelehrte Männer die Cabbala. Unter den neuern Cabbalisten sind vorzüglich Heinrich Morus und Christian Knorr berühmt, welcher letztere das vornehmste aus den cabbalistischen Schriftstellern in zwei lateinischen Quartanten zusammen getragen hat – der Cabbalist, ein Anhänger der Cabbala.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 1. Amsterdam 1809, S. 193-194.
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