Der Calender

[204] Der Calender, der Almanach, das Jahrbuch, das Verzeichniß der Ordnung der Tage, Wochen und Monathe. Diese Benennung kommt von dem lateinischen Worte Calendae, welches den ersten Tag [204] des Monaths bezeichnete. In dem christlichen Europa sind solgende Calender merkwürdig. Zuerst der Julianische, welchen Julius Cäsar mit dem Sosigenes, einem berühmten Astronomen aus Alexandrien, machte und dessen sich noch jetzt die Russen bedienen. Nach diesem Calender war das Sonnenjahr (Julius Cäsar verbannte das Mondenjahr, welches Romulus eingeführt, und Numa schlecht verbessert hatte) zu 365 Tagen, 6 Stunden berechnet, anstatt daß es einige Minuten weniger betrug. Dieser Irrthum hatte im Jahr 1582 eine Unordnung von zehn Tagen hervorgebracht. Gregor der dreizehnte, welcher damahls Pabst war, unternahm daher in diesem Jahre eine neue Reform, er ließ diese zehn Tage im Monath October aus, und befahl, daß auf vier gewöhnliche Jahre ein Schaltjahr kommen solle. Jedoch wurde der Gregorianische Calender bloß von den Katholiken angenommen, die Protestanten blieben bei dem ihrigen; bis endlich mit dem Ausgange des siebzehnten Jahrhunderts diese Verschiedenheit zwischen den beiden Religionstheilen in der Hauptsache gehoben wurde. Zu Folge einer Berechnung einiger Mathematiker, besonders eines gewissen Professor Weigels zu Jena, faßte das evangelische Corpus zu Regensburg (den 30. Sept. 1699) einmüthig den Schluß, daß mit dem Jahr 1700 in den evangelischen Ländern und Reichsstädten ein neuer verbesserter Calender eingeführt werden sollte. Der Unterschied zwischen dem Julianischen und dem Sonnenjahre betrug damahls eilf Tage; es wurde also nach dem 18. Februar sogleich der 1. März gezählt. Der Gregorianische und verbesserte Calender unterschieden sich nur zuweilen wegen ihrer unterschiedenen Berechnung des Oster-Vollmonds, bis erst 1770 auch dieser Unterschied mittelst Annehmung eines durchgehends gleichen Reichscalenders gehoben wurde. Wir kommen jetzt auf den neuen Französischen, wiewohl ursprünglich altgriechischen, Calender. »Das Frankenvolk« – heißt es in dem von dem Nationalconvent am 14. Reifmonath im 2. Jahre der Republik, an welchem Tage der neue Calender decretirt wurde, gegebenen Unterricht über die Zeitrechnung der Republik – »das Frankenvolk will, daß seine Umschaffung vollständig sei, und daß die Jahre seiner Freiheit und seines Ruhms in der künftigen Geschichte noch länger [205] glänzen, als die Jahre seines Drucks und seiner Herabwürdigung in der verflossenen Geschichte sich ausgezeichnet haben.« Die Franken rechnen jetzt von der Gründung der Freiheit und Gleichheit an, welche sie vom 22. Sept. 1792 rechnen: diese ist die Aere derselben (s. Aere). Der 22. September war der erste Tag der Republik, er war auch der erste ihres Jahres. An dem nehmlichen Tage 1792, um 9 Uhr, 18 Minuten, 30 Secunden Morgens, kam die Sonne in die herbstliche Tag- und Nachtgleiche, indem sie in das Zeichen der Wage eintrat. »So war denn« – heißt es an dem angeführten Orte – »am Himmel die Gleichheit des Tages und der Nacht in demselben Momente bezeichnet, da die bürgerliche und moralische Gleichheit durch die Repräsentanten des Frankenvolks als der heilige Grundpfeiler seiner Verfassung festgesetzt ward.« Der Schalttag des Französischen Calenders wird unveränderlich in demjenigen Jahre festgesetzt, worin die Lage des Herbst-Aequinoctiums es gestattet. Nach einer Anordnung, welche die Uebereinstimmung mit den astronomischen Beobachtungen nothwendig macht, wird dieß eine Periode von vier Jahren seyn. Diese Periode wird zum Andenken der Revolution Franziade, und der Schalttag der sie endigt, Revolutionstag genannt Obgleich die zwölf Monden-Monathe, welche die 4 Jahreszeiten, als Eintheilungen des Jahres betrachtet, wieder in kleinere Theile theilen, eilf Tage weniger als das gewöhnliche Jahr fassen, so erklärten doch die Franken den Monath für eine nützliche Eintheilung. Sie behalten daher denselben bei; um ihn aber gleich zu machen und den Bewegungen des Mondes so nahe als möglich zu bringen, setzen sie denselben durchgängig auf 30 Tage, welche sie in 3 gleiche Theile theilen, deren jeder aus 10 Tagen besteht und Decade heißt. Eben so soll auch, der Vortheile der Decimal-Rechnung wegen, der Tag in 10 Theile, jeder dieser Theile in 10 andere u. s. f. getheilt werden; doch ist dieser Punkt erst von dem 1. Vendemiaire im 3. Jahre der Republik an für die öffentlichen Handlungen nothwendig zu befolgen. – Die Namen der Monathe sind: Herbst vom 22. Sept. bis 22. Dec. Vendéminire – sprich Wangdemiär – Weinlesemonat (der October) Brumaire sprich Brümär – Nebelmonath (der November), Frimaire – sprich [206] Frimär – Reifmonath (der December); Winter vom 22. Dec. bis 22. März Nivose – sprich Niwos – Schneemonath (der Januar), Ventose – sprich Wangtos – Windmonath (der Februar), Pluviose – sprich Plüwios – Regenmonath (der März); Frühling vom 22. März bis 22. Jun. Germinal – sprich Scherminal – Keimmonath (der April), Prairial – sprich Prärial – Wiesenmonath (der Juni); Sommer vom 22 Jun. bis 22. Sept. Messidor – sprich Messidor – Erntemonath (der Juli), Thermidor – sprich Thermidor – Hitzemonath (der August), Fructidor – sprich Früktidor – Fruchtmonath (der September). – Den zehn Tagen jeder Decade hat man folgende Namen beigelegt: 1. Primidi, 2. Duodi, 3. Tridi, 4. Quartidi, 5. Quintidi. 6. Sextidi, 7. Septidi, 8. Octidi. 9. Nonidi, 10. Decadi (der Ruhetag). Ueberdieß hat auch noch jeder Tag im Jahre seinen besondern Namen, der aber nicht von Heiligen sondern von der Oekonomie hergenommen, und der Zeit, in welche der Tag fällt, angemessen ist; z. B. der 7 Vendemiaire heißt Carottes, Möhren. »Eine lange Gewohnheit« – heißt es in FabredʼEglantineʼs Bericht an die Nationalversammlung vom 3. Nebelmonath im 2. J. der Rep. – »an den Gregorianischen Calender hat das Gedächtniß des Volks mit einer großen Anzahl von Bildern angefüllt, die es lange Zeit verehrte, und die noch jetzt die Quellen seiner religiösen Irrthümer sind; es ist daher wesentlich, diesen Visionen der Unwissenheit die Realitäten der Vernunft, und dem Pfaffentruge die Wahrheit der Natur entgegen zu setzen.... Allein dieß ist nicht der einzige Zweck, worauf wir hinzuarbeiten haben.... Wir haben jetzt die günstige Gelegenheit, die wir nicht ungenützt entlassen dürfen, durch den Calender, das gangbarste aller Bücher, das Frankenvolk zum Ackerbau zurück zu führen.« – Da nun aber das Jahr nach dem Französischen Calender 360 Tage hat, so werden zu Ende des Jahres noch fünf Ergänzungstage hinzu gethan, welche zu keinem Monath gehören, und Sanscülottentage genannt wurden, nach Robespierres Sturz aber bloß Complementartage heissen. Sie sollen der Feier der Tugenden, des Genies, der Arbeit, der öffentlichen Meinung, der Belohnungen gewidmet sein. Das Schaltjahr wird einen sechsten Festtag enthalten; an diesem Tage wird man den Schwur, frei zu leben und zu sterben, erneuern.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 1. Amsterdam 1809, S. 204-208.
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