Candide

[214] Candide, der Titel eines sehr witzigen, aber für Leser, bei denen das System desselben bleibende Eindrücke zurück lassen sollte, höchst gefährlichen Romans von Voltaire, in welchem derselbe das Menschengeschlecht, sowohl von Seiten seiner Würde als seiner Bestimmung zur Glückseligkeit in Carricatur mahlt, und vorzüglich die (freilich zu seiner Zeit nicht minder wie zu der unsrigen oft bizarr vorgetragene) Behauptung lächerlich macht, daß alles in der Welt gut sei. Den Geist dieses Werks hat er selbst in folgenden Dialog zusammen gedrängt: »Was ist die Welt? ein pudelnärrisches Ding; [214] was ist die Bestimmung des Menschen? rasend zu werden.« Candide, der Held dieses Romans, ist ein junger unerfahrner aber sehr gutmüthiger Mensch, den ein Pedant Pangloß als Hofmeister führt. Diesen letzten setzt Voltaire allen Streichen des Schicksals aus, und läßt ihn unter den empfindlichsten derselben stets in die Worte »alles ist gut« ausbrechen. Rousseau sagt selbst in seinen Geständnissen, daß ihn Voltaire unter dem Pangloß habe lächerlich machen wollen, und sieht den Candide als die Antwort auf seinen Brief an, den er an Voltaire über dessen lästerndes Gedicht auf die Zerstörung von Lissabon geschrieben.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 1. Amsterdam 1809, S. 214-215.
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