Die Chouans

[259] Die Chouans. Unter dieser Benennung hat man oft im allgemeinen die Aufrührer begriffen, welche den Muth und die Thätigkeit der Französischen republikanischen Armeen am rechten und linken Ufer der Loire seit einigen Jahren auf die härteste Probe gestellt haben; eigentlich aber führen diesen Namen nur diejenigen rebellischen Departements, welche am rechten Ufer der Loire liegen, und das ehemalige Bretagne, Anjon und Muine ausmachen. Die Fläche Landes, wo hauptsächlich der Kriegsschauplatz eröffnet war, bildet beinahe ein Viereck, wovon die Städte Nantes, Angres, Mayenne und Rennes die Winkel sind, aber die Streifereien erstreckten sich bisweilen noch weiter längs der Küste hin, bis zu der Stadt Orient. Ueber den Ursprung der Benennung Chouans ist man noch nicht ganz einig; indem [259] sie einige von den Namen der Söhne eines Schmidts ableiten, welche in jenen Gegenden zuerst Aufruhr gepredigt und die Fackel des Bürgerkriegs angezündet haben sollen, andere aber den ersten Grund derselben in der fehlerhaften Aussprache des Französischen Wortes Chat-huaut (Nachteule) finden wollen. Eine Gesellschaft von Schleichhändlern, welche vor der Revolution ein ansehnliches Gewerbe mit heimlicher Ausfuhr des Salzes aus der Bretagne in die benachbarten Provinzen trieb, soll sich nehmlich an den nachgeahmten Tönen der Nachteule unter einander erkannt haben, und sich gegenseitig zu Hülfe geeilt sein, wenn etwa eins ihrer Mitglieder das Unglück hatte, einem Spion der ehemahligen Generalpächter in die Hände zu fallen. Durch die Revolution wurde das Handwerk dieser Leute, welche größten Theils keine andere Beschäftigung kannten, überflüßig. Da sie nun einmal an ein herumstreifendes Leben gewohnt waren, so durchzogen sie das Land und wurden Räuber; mehreres Gesindel gesellte sich zu ihnen, und der Haufen dieser gefährlichen Müßiggänger wurde je länger je furchtbarer. Durch den Uebergang des Generals der Vendeer, Charette, über die Loire, wo sich dieser Feldherr der Stadt Grandville bemächtigen und dadurch eine Communication mit England eröffnen wollte, gewannen die Chouans neuen Zuwachs, da die Armee des Charette (im Dec. 1793) durch die Tapferkeit der Republikaner genöthigt wurde, sich nach der Loire zurück zu ziehen. Nun wollten auch sie für Wiederherstellung der Religion und des Königthums streiten, und deßwegen mit den Vendeern gemeine Sache machen; eigentlich aber ging ihre Hauptabsicht auf Mord und Plünderung, und diesen Zweck haben sie bis auf die neuesten Zeiten nicht aus den Augen verloren. So verheerend auch immer der Kampf zwischen ihnen und den Republikanern gewesen ist, so kann er doch kein Krieg im eigenlichsten Sinne genannt werden. Schon die Lage des Landes macht regelmäßige militärische Operationen unmöglich. Waldungen, mit hohen Hecken verzäunte Felder, Hohlwege und breite, sich überall durchkreuzende Canäle hindern den Marsch einer völlig organisirten Armee. Man war genöthigt in kleinern Abtheilungen zu fechten, konnte aber auch da nicht viel bewirken, weil den Chouans immer noch Schlupfwinkel [260] zu Gebote standen, wohin ihnen die der Gegend unkundigen Republikaner nicht folgen konnten. Sehr oft sprach man im Convent von der gänzlichen Niederlage der Chouans; und doch zeigten sie sich immer aufs neue, und fügten den Republikanern beträchlichen Schaden zu. Da man sich nun endlich überzeugt hatte, daß mit Strenge durchaus nichts bewirkt werden könnte; so versuchte man gütliche Unterhandlungen, gab für die sämmtlichen Aufrührer ein Amnestiedecret (im Dec. 1794), und schickte die Volksrepräsentanten Delaunay, Ruelle und Bollet nach der Vendee. Ersterer stattete (im März 1795) Bericht über seine Sendung ab, und machte zugleich die Erklärung bekannt, in welcher, außer den Vendeern, auch die Chouans dem Convent Unterwürfigkeit angelobt hatten. Dessen ungeachtet kamen die völligen Friedensunterhandlungen erst am 20. Apr. 1795 zu Stande, da Cormatin, der Hauptanführer der Chouans, erklärte, daß er von nun an die Waffen niederlegen und die einzige untheilbare Republik anerkennen würde. Nach solchen feierlichen Versprechungen konnte man kaum noch an der Dauer des Friedens zweifeln; und dessen ungeachtet entdeckte sich bald, daß die Chouans den Feindseligkeiten nur einstweilen ein Ende gemacht hatten, um sich indessen erhohlen und zu einem anderweitigen Angriff neue Kräfte schöpfen zu können. Man enthüllte ihre Einverständnisse mit England und den Ausgewanderten, und nahm deßwegen (am 25 Mai 1795) den Hauptanführer Cormatin nebst sieben andern seiner Gehülfen gefangen. Ein Prozeß wurde gegen ihn in Paris instruirt; aber er wußte sich so geschickt zu vertheidigen, und besonders bemerklich zu machen, daß man von Seiten der Republikaner nicht alle Bedingungen erfüllt, und daher den Frieden zuerst übertreten habe, daß man sich begnügte ihn in das Gefängniß zu Caen zu schicken. Für die Chouans war freilich sein Verlust empfindlich; da sie mit ihm zugleich die übrigen Anführer verloren hatten, so wurde es ihnen unmöglich, sehr thätig zu sein. Sie streiften seitdem nur noch in kleinen Haufen (beinahe wie im Anfange des Krieges) umher, hauptsächlich um zu rauben und zu plündern; allein die Klugheit und Tapferkeit des General Hoche, welcher das Obercommando in den unruhigen Departements führt, macht alle Hoffnung, daß auch diese Streifereien [261] bald aufhören, und Friede und Ordnung in jene verwüsteten Gegenden zurückkehren werden.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 1. Amsterdam 1809, S. 259-262.
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