Die Feuerprobe

[24] Die Feuerprobe. Eins der berühmtesten Gottesurtheile unserer Deutschen Vorfahren (s. Gottesurtheile) bestand gewöhnlich in Proben mit glühendem Eisen, die auf verschiedene Art in Gegenwart der Richter vorgenommen wurden. Es mußte nehmlich die angeklagte Person, um ihre Unschuld darzuthun, dieses Eisen entweder in bloßen Händen tragen, oder mit entblößten Füßen darüber gehen, in welchem letztern Falle man immer einige glühend gemachte Pflugscharen zusammen legte. Bemerkte man Spuren der Verletzung, so wurde das unglückliche Schlachtopfer zur Strafe verurtheilt, die gemeiniglich in dem Tode bestand; fand man die vom Eisen berührten Glieder unversehrt, so hielt man dieß für ein Zeichen, daß Gott selbst die Unschuld des Angeklagten offenbart habe. Statt des glühenden Eisens bediente man sich aber auch anderer Gegenstände, z. B. glühender Handschuhe; auch mußte bisweilen die verdächtige Person durch ein Feuer oder mit bloßen Füßen über glühende Kohlen gehen. Zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts kam dieser ungewisse und grausame Beweis der Unschuld, der Tausende auf die ungerechteste Art hingeopfert hatte, zur Ehre der Menschheit ganz außer Gebrauch.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 24.
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