Die Harmonica

[172] Die Harmonica, ein musikalisches Instrument, aus einer ungefähr ¾ Zoll dicken Walze bestehend, die auf einem Fußgestelle ruht, an welcher etliche vierzig halbe gläserne Hohlkugeln befestigt und so in einander geschoben sind, daß der Rand der einen immer unter dem Rande der andern etwas hervorragt, ohne sich jedoch zu berühren, und diejenige, welche den tiefsten Ton angiebt, die größte, diejenige, welche den höchsten Ton hören läßt, die kleinste ist. Jede dieser Halbkugeln, welche übrigens ganz nach der Tonleiter gestimmt werden, und wo die Halbtöne durch einen farbigen (gemeiniglich goldnen) Rand von den übrigen sich unterscheiden, ist in der Mitte durchbohrt und vermittelst eines Korks an der obgedachten Walze befestigt, welche in einem auf dem Gestell befestigten Gehäuse durch ein Schwungrad, vermittelst des unten angebrachten Fußtritts, in Bewegung gesetzt wird. Ehe man spielt, werden die Glocken mit einem in Wasser getauchten Schwamm überstrichen, und alsdann durch Anlegung der Finger an die Ränder aus denen sich um ihre Are drehenden Glocken die Töne gleichsam herausgezogen. Der Umfang des Instruments begreift drei bis vier volle Octaven. – Ueber die Erfindung dieses Instruments ist man eben so ungewiß als man über den Einfluß desselben auf die Gesundheit des Spielenden verschiedener Meinung ist. Die erstere schreibt man zwar gewöhnlich dem berühmten Franklin zu; allein diesem gehört vielleicht nur das immer große und der Erfindung gleich zu setzende Verdienst einer ganz andern und bessern Einrichtung derselben. Man hatte nehmlich vorher ein Glasspiel, Verrillon genannt, wo eine Anzahl weiter Gläser, die nach ihrer Größe die Töne angaben, auf ein mit Tuch überzogenes Bret gestellt, und mit zwei an der Spitze mit Seide oder Tuch umwundenen [172] Stäbchen gelinde angeschlagen wurden. Wie unvollkommen jedoch dieses Spielwerk gegen die oben beschriebene, nunmehr allgemein bekannte und von Franklin auf diese Art verbesserte Harmonica ausfallen mußte, ist leicht einzusehen (s. auch den Art. Davies). Auch hat man nach und nach immer mehr Verbesserungen damit, sowohl in Ansehung der Glocken, um ihre Ansprache zu erleichtern (s. auch den Artikel Kirchgeßner), als auch wegen einer anzubringenden Tastatur, vorzunehmen gesucht. Wegen der bedenklichen Meinung Verschiedener über den Einfluß auf das Nervensystem des Spielenden war man nehmlich auf Versuche gefallen die Glasglocken nicht unmittelbar mit den Fingern selbst zu berühren, sondern vermittelst der Tasten, wie beim Clavier, sie behandeln zu können. Den Mechanismus einer solchen Tastatur soll Herr Röllig in Berlin, nach Andern aber Hessel aus Petersburg, erfunden haben; auch Nicolai zu Görlitz hat eine solche gefertigt: und man nennt sie Clavierharmonica. Allein alle diese Versuche entsprechen der Erwartung keineswegs; und es ist unmöglich, die Feinheit, das Anschwellen und Aushalten des Tons so ganz wie bei der erstgedachten Art hervorzubringen. Uebrigens ist es wohl nicht zu läugnen, daß die Harmonica, so sehr sie sich auch durch die Feinheit und das Anhaltende ihres Tons vor allen übrigen Instrumenten auszeichnet, dennoch immer ein auf sanfte Empfindungen eingeschränktes und in Rücksicht auf Orchester oder sonst auf Instrumente isolirtes Instrument bleiben wird; und bis jetzt scheint es keine Begleitung von andern zu vertragen, ohne entweder selbst überschrieen zu werden oder die übrige Vocal- oder Instrumental-Musik zu verdunkeln. – Die mit der Harmonica verwandten oder ähnlichen Instrumente, als Euphon, Aeols-Harfe oder meteorologische Harmonica etc. s. unter diesen Artikeln.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 172-173.
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