Johann Huß

[222] Johann Huß, geb. zu Hussinecz, einem Böhmischen Dorfe 1373 unter der Regierung Kaiser Carl IV. studirte zu Prag, ward in der Folge Prediger daselbst und Rector der Universität. Er war ein sehr rechtschaffener und aufgeklärter Mann, der mit dem tiefsten Unwillen gegen die damahls aufs höchste getriebenen Mißbräuche eiferte, die sich in die christliche Kirche eingeschlichen hatten. Die Schriften des Engländers Wiclef, welcher in England die Tyrannei der Päpste und die zügellosen Ausschweifungen der Geistlichkeit aus Vernunft und Schrift zu bestreiten anfing, hatten ihn vorzüglich veranlaßt, das [222] helle Licht der Wahrheit auch in Deutschland anzuzünden. Hier war aber der Versuch noch zu frühzeitig, und die alte Finsterniß noch zu mächtig. Huß wurde in den Kirchenbann gethan, mußte Prag 1412 verlassen und bald darauf auf der Kirchenversammlung zu Costniz erscheinen. Man kann sich leicht vorstellen, wie die da versammelte Geistlichkeit von einem freimüthigen Bekenner der Wahrheit geurtheilt haben mag. Huß wurde ohne große Weitläuftigkeiten als Erzketzer zum Scheiterhaufen verdammt, und mußte, ungeachtet eines vom Kaiser Sigismund erhaltenen sichern Geleits, diese Strafe am 6. Jul. 1415 an sich vollziehen lassen. Ein gleiches Schicksal traf das Jahr darauf seinen gelehrten Freund, den Hieronymus von Prag, der Hussen zuerst mit Wiclefs Schriften bekannt gemacht hatte. – Diese beiden wehrlosen Männer konnten leicht den Flammen aufgeopfert werden; aber man hatte es nicht verhindern können, daß Hussens Geist bei seinen zahlreichen Anhängern, den Hussiten, nicht fortgewirkt und allmählig die große Kirchenverbesserung herbeigeführt hätte, die der unsterbliche Luther so rühmlich vollendete.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 222-223.
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