Irland

[238] Irland, die Größe, das Clima, die Producte, die Eintheilung und die Bevölkerung von Irland sind bereits in dem Artikel Großbritannien und Irland angegeben worden. Ich füge in dieser Hinsicht nur noch in Beziehung auf die (aus Sprengels Grundriß der Staatenkunde entlehnte) Angabe von 2,500,000 Menschen, welche um das Jahr 1786 in diesem Reiche gelebt, hinzu, daß nach einer Tabelle des Herrn von Archenholz im ersten Theile der Brittischen Annalen die Bevölkerung desselben sich im J. 1788 auf 3,041,200 M. belaufen habe. Sonst wurde die Bevölkerung von Irland nur höchstens auf 2 Millionen geschätzt. Dieses führt mich sogleich zu den Bemerkungen, welche mir in diesem Artikel über den zunehmenden Flor dieses Reichs in Rücksicht auf Ackerbau, Industrie, Handel, Bevölkerung und über die zu gleicher Zeit überhand nehmenden innerlichen Unruhen zu machen übrig sind, [238] welche sich wahrscheinlich mit einer ebenfalsigen Erhöhung der Irländischen Freiheit endigen werden Irland wurde in den ältern Zeiten von den Engländern, welche die Schotten hassen und die Irländer verachten, in Rücksicht auf die Landesregierung wie in Rücksscht auf den Handel in einer entehrenden und höchst nachtheiligen, fortwährende Auswanderungen veranlassenden Sclaverei gehalten. Erst in den neuern Zeiten besserte sich der Zustand dieses Reichs, indem es die Irländer während des Amerikanischen Krieges, wiewohl nicht ohne Unruhen, durchsetzten, daß ihnen im J. 1780 die freie Ausfuhr ihrer Wollmanufacturen und überhaupt der freie Handel mit den Brittischen Colonien, und im J. 1782 die Unabhängigkeit vom Brittischen Parlamente, welchem das Irländische gänzlich unterthan war, bewilligt wurde. Sichtbar hatten die Amerikanischen Unruhen Einfluß auf diese Bewilligungen, da England ähnliche Unruhen in Irland und vielleicht nicht ohne Grund befürchtete Bei alle dem wußte sich der Hof, was die Regierung betrifft, seinen Einfluß zu erhalten. Der Vicekönig wußte stets seinen Einfluß durch die Ausspendung von Titeln, von Würden, von Versprechungen und von Gold zu behaupten; und so wie das Irländische Parlament in eben die Rechte gesetzt wurde, welche das Brittische (mit welchem es übrigens die nehmliche äußere Einrichtung hat) für England und Schottland besitzt, so fand auch bei demselben das nehmliche Bestechungssystem, die nehmliche Unterwerfung unter den königlichen Willen Statt. Den Irländern entging dieses nicht; eben so sehr fühlten sich die katholischen Bürger durch Bedrückungen und Einschränkungen beschwert. Indeß schlummerte ihr Mißvergnügen mehrere Jahre hindurch (denn die Rotten Bösewichter, welche Irland durchstreiften, unter denen sich vorzüglich die Rotte der weißen Jungen und dann die Break of day Boys [die Jungen vom Tagesanbruch] auszeichneten, war der Menge unbeschäftigter Menschen zuzuschreiben), und sie erfreuten sich ihrer wachsenden Wohlhabenheit. Ihr Feld- vorzüglich der Kornbau stieg täglich höher; der Handel mit ihrer vortrefflichen Leinewand erweiterte sich; zu gleicher Zeit betrieben sie die ehedem sehr vernachlässigte Heringsfischerei an den Küsten des Königreichs mit Eifer: und so nahm Wohlstand und Bevölkerung [239] bei ihnen zu, während sie auch in der Cultur Fortschritte zu machen anfingen, in Rücksicht auf welche sich vorzüglich Fitzherbert, ein reicher Edelmann, um die National-Erziehung verdient machte. Bei alle dem war der politische Schlummer der Irländer nur äußerst leise oder vielmehr selbst nur scheinbar, weil sie sich innerhalb der Gränzen der Ruhe hielten. Die Französische Revolution und die durch dieselbe überall hin verbreiteten Ideen von Freiheit gaben auch den Irländern einen neuen Stoß; in allen Theilen des Königreichs entstanden Whig-Clubs, unter denen der zu Dublin der vorzüglichste war, zu welchem die ehrwürdigsten Männer in und außer dem Parlamente traten. Reform des Parlaments, in welchem sich der Hof auf mehrere Arten eine Menge von Anhängern verschaffen konnte, und Aufhebung aller Einschränkungen der Katholiken waren die beiden Hauptforderungen der Irländer, (Die Katholiken machen zwei Drittheile des Königreichs aus; und selbst die meisten ihrer protestantischen Mitbürger fanden ihre Forderungen gerecht). Die Regierung mußte bei diesem Ereigniß um so vorsichtiger zu Werke gehen, da die bewaffnete Macht derselben in diesem Königreiche so gering war, und die Irländer die wirksamsten Maßregeln genommen hatten, worunter auch die Anschaffung mehrerer tausend Gewehre gehörte, die (im J. 1792) heimlich an der nördlichen Küste des Reichs gelandet und von da in die Gebirge geschafft wurden; auch äußerte sie ziemlich tolerante Gesinnungen. Das Losungswort Reform wurde indeß in Irland immer allgemeiner, und die Clubs verstärkten sich täglich. Unter diesen politischen Versammlungen zeichnete sich indeß vorzüglich die Gesellschaft der Freunde der Freiheit und der Ruhe durch ihre Ruhe und Mäßigung aus, welche ausdrücklich von dem Grundsatze ausging, »daß Waffen die letzten Hülfsmittel der zur Verzweiflung getriebenen Elenden seien.« Sie hielt am 3. Jan. 1793 eine Hauptversammlung zu Dublin, in welcher sie ihre Gesinnungen und gleichsam die Präliminarien einer friedlichen Reform darlegte. Ueberhaupt wurden alle obere und mittlere Volksclassen der Irländer gegen das Französische Raubsystem aufgebracht; dieses und dann auch die Nachgiebigkeit von Seiten der Regierung waren es, was zur [240] Zeit gewaltsame Empörungen verhinderte. Es wurde im Irländischen Parlament eine Bill eingebracht, welche der königlichen Macht in Irland engere Schranken wie in England setzte; der König gab mehrere aus Irland gezogene Einkünfte auf, und die eigentlichen Bedrükkungen der Katholiken wurden gehoben. Indeß wurde den Katholiken doch das große Prärogativ versagt, im Parlament zu sitzen; auch hatte sich der Geist der Unruhe zu sehr über diese Insulaner verbreitet, um unthätig zu bleiben. Eine Menge Aufrührer traten zusammen, die sich Defenders und auch vereinigte Irländer nannten, im Grunde aber Räuber unter der Maske der Reformatoren waren; es wurden aufrührerische Schriften ausgestreut, worin man von einer hülfreichen Landung der Franzosen sprach, denen man sogar in Belfast, der unruhigsten aller Irländischen Städte, den Segen des Himmels erflehte; in Dublin formirte sich ein militairischer Haufe – bei alle dem wurde aus den angeführten Gründen einer Empörung vorgebeugt und die Ruhe einstweilen hergestellt, bis die Errichtung einer Landmiliz in Irland nach dem Muster von England die Unruhen erneuerte. Und so geht es von nun an in Irland fort: einstweilige, oft nur scheinbare Herstellung der Ruhe, welche die Regierung durch weise Maßregeln hätte ganz zu gründen suchen sollen; unter der Asche fortglimmendes Mißvergnügen und öftere stürmische Ausbrüche desselben haben bis jetzt mit einander abgewechselt. Zwar wurden die Unruhen wegen der Landmiliz durch diese selbst in Verbindung mit den regulairen Truppen wieder gedämpft; und zu Anfange des Jahrs 1794 waren die Irländer ziemlich beruhigt. Die Aufhebung vieler Mißbräuche war geschehen; und auch in Ansehung der noch übrigen hoffte man eine baldige Abstellung. Allein es erhoben sich in kurzer Zeit bald in dieser bald in jener Provinz neue Stürme; und die Regierung machte sich durch Anlegung neuer Taxen, durch angenommene Strenge und durch Begünstigung eines dem Reiche nachtheiligen Emigrirungsplans um Canada zu bevölkern der Nation aufs neue verdächtig Doch auch jetzt gelang es ihr wieder, die Unruhen zu dämpfen; allein weit entfernt dieselben durch feste Befolgung des Systems der Mäßigung und Nachgiebigkeit ganz zu stillen, schien es sie vielmehr zu reuen, so [241] viel nachgegeben zu haben. Sie ernannte im J. 1795 den Lord Carhampton, einen ihr sehr ergebenen Mann, zum Befehlshaber aller Truppen in Irland, mit ausgedehnter Vollmacht, nach Gutdünken mit militairischer Gewalt zu verfahren; die innere Landmacht wurde dem Herzog von York als Oberbefehlshaber übertragen; die Regierung verschaffte sich eine Menge Anhänger im Parlament, und nahm alle Maßregeln, die Ruhe zu erhalten – nur nicht die Maßregeln der Nachgiebigkeit: es brachen daher im Jahr 1796 neue und ernsthaftere Unruhen aus. Man entdeckte im Februar zu Dublin ein Complott, welches den Mord des Vicekönigs und die Bewirkung einer förmlichen Revolution zur Absicht haben sollte: die Defenders begingen die größten Ausschweifungen; vorzüglich brach im November im nördlichen Irland eine Rebellion aus, welche unter dem Namen der Kartoffel-Insurrection (insurrection of potatoes) bekannt worden ist, weil sich die Insurgenten (deren Anschläge noch nicht näher bekannt geworden) unter dem Vorwande, das Getreide in Acht zu nehmen und Kartoffeln auszugraben, zusammenrotteten, auch bei ihren Streifereien mehrere Felder von Kartoffeln ausgegraben haben. Doch auch dieser Aufruhr wurde theils durch militairische Gewalt, theils durch die Abneigung der größern Zahl der Einwohner gegen eine gewaltsame Revolution wieder gedämpft. Indeß wurde in dem am 13. Oct. eröffneten Irländischen Parlament der Antrag, den Katholiken gleiche Rechte mit den Anhängern der herrschenden Kirche zu geben, mit 149 Stimmen gegen 12 verworfen, und dagegen die einstweilige Aufhebung der Habeas Corpus-Acte (s. diesen Art.) auch für Irland mit 130 Stimmen gegen 7 beschlossen. Ist es ein Wunder, wenn sich die Unruhen in diesem Jahre (1797) zur förmlichen Empörung gegen die Regierung erneuerten und »die Brittische Regierung (wie Herr von Archenholz sich ausdrückt), vorausgesetzt, daß dem Bürgerkriege und einer förmlichen Revolution in Irland vorgebeugt wird, dahin gebracht ist, mit Aufwand von Blut und Gold dem Trotz der Irländer als Nothdrang einzuräumen, dessen Bewilligung noch vor zwei Jahren als eine Gunst erfleht wurde?«

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 238-242.
Lizenz:
Faksimiles:
238 | 239 | 240 | 241 | 242
Kategorien:

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Catharina von Georgien

Catharina von Georgien

Das Trauerspiel erzählt den letzten Tag im Leben der Königin von Georgien, die 1624 nach Jahren in der Gefangenschaft des persischen Schah Abbas gefoltert und schließlich verbrannt wird, da sie seine Liebe, das Eheangebot und damit die Krone Persiens aus Treue zu ihrem ermordeten Mann ausschlägt. Gryphius sieht in seiner Tragödie kein Geschichtsdrama, sondern ein Lehrstück »unaussprechlicher Beständigkeit«.

94 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon