Das Irrlicht

[243] Das Irrlicht. Diese Naturerscheinung, die der Aberglaube zu bösen Geistern macht, welche die Reisenden irre führen, ist, so oft auch derselben gedacht wird, doch noch nicht hinlänglich beschrieben und untersucht worden. Bekannter Maßen besteht dieselbe in einem oder mehrern Lichtern von verschiedenen Größen, die sich, am häufigsten in Sommer- und Herbstabenden, nicht weit vom Boden vorzüglich über sumpfigen Orten, Mooren, Kirchböfen etc. hin und her bewegen. Sie sollen vor dem, der sie verfolgt, fliehen, dem Fliehenden hingegen nachfolgen, welches sich aus der Bewegung der Luft erklären läßt. Einige Naturkundige, die ihrer habhaft worden, haben in denselben eine schleimigte Materie [243] gefunden. Unter mehrern Erklärungsarten ist die wahrscheinlichste, daß die Irrlichter Wirkungen einer durch die Fäulniß erzeugten phosphorescirenden, d. h. im Dunkeln leuchtenden, Materie sind, so wie bekanntlich faule Fische, faules Holz etc. im Dunkeln leuchten. Es ist auch möglich, daß die Elektricität zuweilen einigen Antheil daran haben kann. Der Erklärung der Irrlichter durch Erscheinungen der aus sumpfigen Orten aufsteigenden brennbaren oder Sumpfluft, welche durch ihre Vermischung mit atmosphärischer einer Entzündung fähig wird, steht entgegen, daß die Irrlichter bloß zu leuchten nicht wirklich zu brennen scheinen und daß man sich Blitze oder elektrische Funken hinzudenken muß, welche die empor steigende Sumpfluft entzünden. Die Anhänger des antiphlogistischen Systems (s. diesen Artikel) erklären die Erscheinung der Irrlichter durch das aus faulenden thierischen und vegetabilischen Theilen entwickelte gephosphorte Wasserstoff- (oder brennbare) Gas. – Die gewöhnlichen Irrlichter haben die Größe einer Lichtflamme; die größern heißen Irrwische.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 243-244.
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