Lawischen Actienhandels

[371] Lawischen Actienhandels ist nach Büsch, welcher dieselbe in ihrem rechten Lichte, das bis jetzt Steuart in seiner Staatswirthschaft allein über dieselbe verbreitet hat, darstellt, folgende. Ludwig XIV. hatte 2000 Millionen Livres alter Währung an Schulden hinterlassen, welche die neue Regierung in große Verlegenheit setzten; doch war der Verlegenheit im Jahr 1717 durch die Ueberlegungen des rechtschaffenen Herzogs von Noailles und seines Beistandes Rouilleʼ so weit abgeholfen, daß der Hof 80 Millionen für die Zinsen seiner Schulden richtig bezahlen konnte, und die Einnahme dennoch die Ausgabe um fast 48 Millionen überstieg. Nun fand sich ein in Geldsachen sehr erfahrner Schottländer, John Law, 1716 bei dem Herzog-Regenten ein, und schlug die Errichtung einer Zettelbank vor. Die Sache fand Eingang, und wurde mit einem Fond von 6 Millionen zum Anfange als eine Privatsache erlaubt und ausgeführt. Indessen fuhr Noailles in dem natürlichen sichern Wege fort. Frankreichs Schuldenlast zu erleichtern. Allein weil bei demselben alles auf Ersparung und gute Wirthschaft ankam, so wurde der Regent leicht für den weiter gehenden Plan des Law eingenommen, der ihn durch Verwandlung der Staatsschulden in Papiergeld von jenem Zwange zu befreien und ihn in Ueberfluß zu setzen versprach. Aber vorher mußten der Kanzler Daguesseau und Noailles von den Geschäften entfernt werden; ein für Frankreichs Schicksal entscheidender Vorfall, weil es seit demselben nie wieder der Hoffnung so nahe gekommen ist, seine Finanzen wieder herzustellen. Auch dieß war das Werk des schändlichen Dubois, welcher nach dem Platz des ersten Ministers strebte. Kurz vorher ließ der Regent das Geld der Nation ummünzen und im Zahlwerth erhöhen. Auch darein schickte sich die Nation so, daß sie ihre guten Louisdʼors gelassen zur Münze brachte, von 20 Stück, die bis dahin 16 Livres ein jedes gegolten hatte, vier ein ließ, und zufrieden war, 16 Stück mit des jungen Königs Stempel wieder zu bekommen, die nur 20 Livres galten. Dieß vermehrte jedoch den Credit der Bank, [371] deren Noten eine Zahlung in dem Gewicht und der Feinheit versprachen, die am Tage der Ausstellung einer jeden Note bestand. Diese standen daher um 1 pro C. höher im Werth als bares Geld.

Nun aber nahm der Regent mit Anfang des Jahrs 1719 die Bank an sich, und zahlte Law und seine Actionairs aus, stellte aber die Banknoten ohne jene Bedingung aus. Eine von Law errichtete Abendländische Gesellschaft wurde mit der Ostindischen Gesellschaft verbunden, und diese neben der Handlung, die ihr Gegenstand eigentlich war, durch Ertheilung der Tobakspacht, des Münzrechts und 48 Millionen, die ihr die Krone als Zinsen zu bezahlen versprach, in den Stand gesetzt, alleinige Gläubigerin der Krone für 1600 Millionen Livres alter Währung zu werden, die sie den Unterthanen, die bisher Gläubiger gewesen, in Banknoten auszahlte, oder deren Schuldforderung an den Staat zur Zahlung für ihre Actien annahm. Die Actien wurden anfangs auf 500 Livres gesetzt. Um aber die Compagnie in den Stand zu setzen, daß sie mehr Geld und Schuldbriefe der Nation an sich ziehen könnte, wurden zuletzt 40 pro Cent als ein Dividend von diesen Actien versprochen, aber auch der Werth dieser Actien auf 5000 Livres gesetzt. Zu gleicher Zeit wurden Nachrichten von neuen in den Colonien am Missisippi gemachten Entdeckungen und daraus zu erwartenden Vortheilen bekannt gemacht, die so übertrieben als grundlos waren. Alles wurde geglaubt: und so manchen falschen Schritt auch der Hof that (indem er den Münzwerth ohne Unterlaß veränderte), und ob er gleich die Banknoten ins Ungeheure vermehrte; so ging doch alles seinen guten Gang fort, bis der Regent, ohne Law zu hören, sich überreden ließ, durch ein Edict vom 21. Mai 1720 den Zahlwerth der Banknoten auf die Hälfte herabzusetzen, da sich aller Credit des Papier-Geldes verlor, und auch nicht durch ein sechs Tage darauf gegebenes Edict, das demselben seinen alten Werth wieder gab, wieder herzustellen war. Zu gleicher Zeit fiel der Werth jener Actien. Viele Tausende, die für den hohen Preis gekauft hatten, verloren fast den ganzen Werth; und Andere, die für 500 Livres gekauft und für 5000 Livres verkauft hatten, gewannen Millionen. Diese ließ der Herzog-Regent zum Theil einziehen, [372] und nöthigte sie, ihren Gewinn wieder herauszugeben. Viele derselben hatten aber ihren Gewinn schon außer Land geschickt, entflohen, und ließen sich in andern Staaten nieder, die sie sehr bereicherten. Die Krone mußte nachher eine schon bald nach Ludwigs XIV. Tode niedergesetzte Commission, le Visa genannt, wieder in Activität setzen, um ihr Schuldenwesen wieder in Ordnung zu bringen und einem jeden nach Billigkeit zu dem Seinigen zu verhelfen, welche erst in vielen Jahren, unter dem Regiment des äußerst sparsamen Cardinals Fleury, damit zu Stande kam. Dieß alles wäre nie nöthig gewesen, wenn man die Bank bei ihrem ersten schon gänzlich befestigten Credit ohne Künstelei gelassen hätte.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 371-373.
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