Die Brüder Orloff

[318] Die Brüder Orloff, eine berühmt gewordene Familie in Rußland, welche sich unter Catharinen II. erhob. Es waren deren fünf. Vorzüglich merkwürdig sind: 1) Gregorius Orloff, ein Mann von Muth und männlicher Schönheit, stolz, rauh, weniger gebildet, als er es bei der Gelegenheit, die er bekam sich zu verfeinern, hätte sein sollen. Er war Adjutant bei dem General-Feldzeugmeister Peter Schuwaloff, und hatte sich mit diesem wegen dessen Gemahlin entzweit, als er Catharinen, welche damahls noch Großfürstin war, bekannt und bald ihr Liebling wurde. Er war eine Hauptperson bei der Verschwörung wider Peter III.[318] und der darauf folgenden Revolution; aber er hat diesen unglücklichen Monarchen nicht umgebracht. Lange beherrschte er die Kaiserin umumschränkt, und beinahe hätte sich letztere mit ihm vermählt. Im J. 1772 wünschte die theils durch seine zahlreichen Feinde, theils durch Orloffs eignes ungestümes Betragen wider ihn aufgebrachte Kaiserin seine Entfernung; sie wollte jedoch den kühnen, unternehmenden Mann, welcher den ersten Antrag der Kaiserin, »er möge um seine Entlassung anhalten«, mit Verachtung verwarf, lieber dazu bewegen als zwingen. Gregorius Orloff entschloß sich auch endlich Petersburg zu verlassen, um eine Zeit lang Europa zu durchreisen, für welche Gefälligkeit er mit kaiserlichen Geschenken überhäuft wurde. Im Jahre 1774 erschien er jedoch abermahls am Hofe, und wurde wieder in seine Aemter eingesetzt. Hier erregte Potemkins Einfluß bald seine Eifersucht; jetzt suchte er selbst um seine Entlassung an, ohne sie jedoch von Catharinen, welche durch ihn den nicht weniger kühnen Potemkin im Zaum zu halten suchte, zu erhalten. Die Eifersucht auf die neuen Günstlinge der Kaiserin verbitterte jedoch sein Leben; im Besitz großer Glücksgüter und mit einer jungen, schönen Dame vermählt, lebte er dennoch unzufrieden, und brachte die letzten Jahre seines Lebens fast ganz mit Reisen zu. Der Verlust seiner Gemahlin, welche im Jahre 1782 in Lausanne starb, stürzte ihn in eine Art von Wahnsinn, wegen dessen auffallenden Aeußerungen bei seiner Rückkehr nach Petersburg man ihn den Hof zu verlassen und nach Moskau zu gehen nothigte, an welchem letztern Orte er, auch noch von innern Vorwürfen gefoltert, im April 1783 starb. Die Kaiserin hatte ihn schon vor seiner ersten Reise in den Fürstenstand erhoben. 2) Alexis Orloff, schwang sich vom gemeinen Soldaten bei der Garde zum Admiral empor. Er war nicht minder thätig bei der Revolution in Rußland als sein Bruder Gregorius, den er an Kühnheit gewiß übertraf. Im Kriege gegen die Türken commandirte er im J. 1768 die Russische Flotte im Archipel. Bei Catharinens Tode war er in Moskau, allein auf Befehl Paul I. mußte er das Russische Reich verlassen. Er hielt sich seit dieser Zeit in Deutschland, größten Theils in Leipzig, auf, und feierte im Sommer 1798 zu Carlsbad [319] des Kaisers Namenstag. – Die drei übrigen Brüder Orloff sind: Wolodimer, anfangs gemeiner Gardist, nach der Revolution Senator; Feodor, der Kammerherr; Iwan, auch Kammerherr, der aber selten nach Hofe kam. Wir haben keine Nachrichten, ob sie noch am Leben sind.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 318-320.
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