Die Pietisten

[442] Die Pietisten; (a. d. Lat) so nennte man zum Spott eine Religionssecte, die gegen das Ende des vergangenen Jahrhunderts in der Lutherischen Kirche entstand. Als den Urheber derselben kann man Philipp Jacob Spener angeben, der 1691 als Probst und Consistorialrath zu Berlin starb, und ein Mann von großer Gelehrsamkeit und reinem Tugendeifer war. Da dieser den Verfall der Religion zu seiner Zeit mit Betrübniß bemerkte, so drang er, um derselben wieder aufzuhelfen, vorzüglich auf echtes, thätiges Christenthum, welches seiner Meinung nach mehr durch Privat-Andachtsübungen, als durch den öffentlichen Gottesdienst befördert werden könnte. Unter seinen Anhängern gab es mehrere ehrwürdige Männer, welchen die Sache der Religion am Herzen lag; aber freilich fanden sich auch viele Schwärmer darunter, die sich zu Reformatoren aufwarfen, viele gleichgültige Dinge als sündlich ausschrien, und den öffentlichen Gottesdienst verächtlich zu machen suchten. Daher entstanden denn die heftigsten Zänkereien in der Lutherischen Kirche, die nur durch die Gesetze, welche an mehrern Orten gegen den Pietismus gegeben werden mußten, beigelegt werden konnten. Und so versteht man noch jetzo unter einem Pietisten einen solchen, der mehr frömmelnd als fromm das Wesen der Religiosität hauptsächlich im Aeußerlichen sucht.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 442.
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