Psyche

[497] Psyche (a. d. Griechischen, wo es wörtlich die Seele bedeutet). Die Griechische Mythologie erzählt von einer Psyche folgende Fabel, die den alten und neuern Schriftstellern, besonders den Dichtern, Stoff zu vortrefflichen Fictionen gegeben hat. Psyche war eine Königstochter, die jüngste und schönste von drei Schwestern. Venus, eifersüchtig auf ihre Reitze, befahl dem Amor, sie in den häßlichsten Menschen verliebt zu machen; allein der Liebesgott gewann sie selbst lieb, ließ sie von dem Gipfel eines Berges durch angenehme Zephyre in ein herrliches Lustgefilde entführen, wo sie jede Vergnügung der Sinne genoß, und besuchte sie unerkannt alle Nächte. Sehnsucht nach ihren beiden Schwestern verleitete sie, ihren Liebhaber, den sie noch nie gesehen hatte, um[497] die Herbeiführung derselben zu bitten; sie fand Gehör. Die Schwestern schilderten ihr den unbekannten Liebhaber als ein gräßliches Ungeheuer, und gaben ihr ein scharfes Messer, um ihn zu morden, und eine verborgne Lampe, um die That desto sicherer auszuführen. Sobald Amor in der nächsten Nacht neben ihr eingeschlafen war, zog sie das Messer und zugleich die Lampe hervor; allein aus plötzlichem Erstaunen über seine Schönheit ließ sie, da sie in ihm den Gott der Liebe erkannte, das Messer sinken. Ein Tropfen heißes Oehl fiel aus der Lampe auf Amors Schultern; er erwachte, sah das Messer, warf ihr ihre Untreue vor, und entfloh ihren Umarmungen Psyche suchte ihn überall, selbst im Tempel der Venus, die, voll von hämischer Freude, sie nun in ihrer Gewalt zu haben, ihr eine Menge schwerer Arbeiten und Plagen auflegte, und sie sogar in das Unterreich hinabzusteigen zwang. Durch Zauberei ihres noch immer getreuen Geliebten kam sie glücklich wieder herauf. Amor hat den Jupiter fußfällig um Endigung ihrer Leiden, und erhielt von ihm die Erlaubniß, daß sie unsterblich gemacht und im Himmel mit ihm vermählt werden sollte. Venus selbst ensagte ihrem Zorn, eröffnete in eigner Person den Hochzeittanz; und die Götter feierten ein prächtiges Fest der Freude. – Psyche wird als ein schönes Mädchen mit Schmetterlingsflügeln gebildet. Uebrigens ist leicht zu bemerken, daß der dichterisch gedachte Begriff der Seele und der Unsterblichkeit, verbunden mit einer andern Bedeutung des Worts Psyche, in welcher es ein Schmetterling heißt, mit dieser Fabel in Verbindung stehe.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 497-498.
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