René Antoine Ferchault von Reaumur

[85] René Antoine Ferchault von Reaumur, einer der größten Französischen Naturforscher, wurde 1683 zu Rochelle geboren. Er verließ das Studium der Rechte, dem er sich anfänglich gewidmet hatte, und legte sich auf die Meßkunst, die Physik und die Naturgeschichte. Im Jahr 1703 ging er nach Paris, und 1708 nahm ihn die [85] Akademie der Wissenschaften unter ihre Mitglieder auf. Seine zahlreichen naturhistorischen, chemischen, physicalischen Beobachtungen und Entdeckungen gaben ihm bald die verdiente Celebrität. In den Memoiren der Akademie erschien 1709 seine Schrift über die Bildung und das Wachsthum der Schalen der Schalthiere (De la formation et de lʼaccroissement des coquilles des animaux). Hier suchte er wahrscheinlich zu machen, daß die Schalen jener Geschöpfe durch Erhärten eines aus den Thiergefäßen tretenden Saftes erzeugt, und also durch eine Art von Ansetzung materieller Theile hervorgebracht und erhalten würden. Im Jahr 1718 übergab er der Akademie eine Abhandlung über die in Frankreich befindlichen goldführenden Flüsse, unter welchen er die Rhone, die Ceze, den Gardon, die Garonne, die Arriege und mehrere andere nannte. Er zeigte auch, wie das in diesen Flüssen befindliche Gold, dessen Gehalt nach seinen Untersuchungen von achtzehn bis zwei und zwanzig Karat beträgt, gewonnen werden könnte. Ueber die Verwandlung des Eisens in Stahl stellte Reaumur eine Menge von Versuchen an, Versuche, durch welche er nicht nur manches Wichtige in Hinsicht der Stahlbereitung entdeckte, sondern auch das Gußeisen in Schmiedeeisen verwandeln lernte. Er theilte die hier gesammelten Erfahrungen in dem Werke mit, welches 1722 in 4. unter dem Titel LʼArt de convertir le Fer-forgé en Acier, et lʼArt dʼ adoucir le Fer-fondu, et de faire des Ouvrages de Fer-fondu aussi finis que de Ferforgé erschien. Wurde er durch seine Versuche über die Stahlbereitung für sein Vaterland wichtig, so wurde er es auch durch seine Bemerkungen und Untersuchungen über die Verzinnung des Eisenblechs und die Verfertigung des Porzellans. Reaumur war unter den Naturforschern seiner Nation der erste, welcher das Porzellan, und insbesondere das Eigenthümliche der verschiedenen Sorten desselben näher kennen zu lernen suchte. Er blieb nicht bei der Betrachtung des Korns im Japanischen, Sächsischen und Französischen stehen, sondern übergab jede dieser Arten dem Feuer, und entdeckte auf diese Weise die wichtigern Verschiedenheiten zwischen dem Europäischen und Orientalischen Porzellan. Die Unschmelzbarkeit des Letztern leitete ihn auf den Satz, daß dasselbe aus einem[86] schmelz- und verglasbaren und einem strengflüssigen Stoffe bestehen müsse; und diesen Satz fand er bestätigt, wenn er die Substanzen, aus welchen das Japanische Porzellan bereitet wird, die Petuntse, die wahrscheinlich eine Art von Schwerspath ist, und das Kaolin, das als eine feine Thonart angegeben wird, prüfte. Er war nun bemüht, aus inländischen Materien ein Porzellan zu verfertigen, das an Dauerhaftigkeit dem Orientalischen gleich käme, und dachte endlich, um diesen Zweck wirklich zu erreichen, sogar auf die Erzeugung einer künstlichen Petuntse. In der Folge lehrte er aus dem gemeinen Glase ein Porzellan zu erhalten, das er, weil das Glas bei der Bereitung desselben zum Theil seiner glasigten Natur beraubt wird, porcelaine par devitrification nannte. Dieses reaumursche Glasporzellan besitzt nicht die schöne weiße Farbe des gewöhnlichen, ist aber zu ökonomischen und technischen Zwecken eben so brauchbar als dieses. Einen vorzüglichen Ruhm erwarb sich Reaumur durch die Verfertigung seines Weingeist-Thermometers, dessen man sich vornehmlich in Frankreich und Italien bedient, und von welchem wir noch besonders in dem Artikel Wärmemesser sprechen werden. Dieser Naturforscher stellte auch Beobachtungen über die Verdauung der Vögel an; und im Jahr 1756 übergab er der Akademie eine Schrift, in welcher er über die Kunst sprach, mit welcher jene Thiere ihre Nester bauen. Diese Abhandlung war die letzte, welche die Akademie von ihm erhielt. Er starb den 17. October 1757 auf seinem Landgute Bermondiere an den Folgen eines unglücklichen Falles. In ihm verlor der Staat einen eben so gemeinnützigen als kenntnißreichen Gelehrten. Er war unermüdet im Beobachten; und alles, selbst das minder Wichtige, fachte seinen Thätigkeitstrieb an. Seine literarischen Producte sind redende Denkmähler seines spähenden und rastlos wirkenden Geistes. Er zeichnete sich übrigens nicht bloß durch diesen, sondern auch durch seinen sanften Charakter, durch seine Menschenliebe, seine Wohlthätigkeit aus. Unter den zahlreichen Abhandlungen, die man in den Memoiren der Pariser Akademie von ihm findet, sind mehrere naturhistorischen Inhalts; er hat aber auch die Literatur der Naturgeschichte durch ein größeres Werk, durch eine Histoire naturelle [87] des Insectes, welche in 6 Bänden in 4. erschien, bereichert.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 4. Amsterdam 1809, S. 85-88.
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