Seelenverkäufer

[212] Seelenverkäufer; mit dieser berüchtigten, in Holland und besonders in Amsterdam ihr Wesen treibenden Classe Menschenmäkler hat es folgende Bewandniß. Diese Seelen- oder, wie sie auch heißen, Zettelverkäufer nehmen dürftige Leute, die als Matrosen oder Soldaten nach Ostindien gehn wollen, auf, und unterhalten sie so lange, bis die Ostindische Compagnie dergleichen verlangt: dann stellen sie ihr dieselben vor; und wenn die Compagnie sie annimmt, so bekommt jener Wirth oder Zettelverkäufer einen Transportzettel oder Schuldbrief auf 150 Gulden, welche, wenn jener Verkaufte am Leben bleibt, diesem von seinem Lohne abgezogen und nach einiger Zeit erst an den Inhaber des Zettels bezahlt werden. Meistentheils aber verkaufen diese Wirthe die empfangenen Transportscheine an reichere Leute, die nun davon wieder ihren besondern Gewinn ziehen. Eigentlich also ist diese Einrichtung für jene armen Leute, die sich zu dem Entschlusse, nach Ostindien zu gehen, genöthigt sehen, eben so wohl als für die Gesellschaft sehr nützlich; auch ist das Andrängen der Rekruten immer sehr stark: allein öfters wird auch mit jenen Zetteln, besonders den so genannten Monathszetteln (wo nehmlich ein Angeworbener seinen Hinterlassenen in Europa verspricht, sich jährlich ein paar Monathe am Solde abziehen und das Geld jenen auszahlen zu lassen), der schändlichste Betrug gespielt, dem zu steuern die Gesellschaft eben nicht sehr geneigt zu sein scheint.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 5. Amsterdam 1809, S. 212.
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