Giuseppe Tartini

[64] Giuseppe Tartini, einer der berühmtesten Violinspieler und Lehrer auf diesem Instrumente im vorigen Jahrhunderte. Geboren zu Pirano (einem Landgute in Istrien) 1692. zeigte er bald viel Geist und Fassungskraft, trieb auf der Schule, wohin er geschickt wurde, die Humaniora – Musik nur nebenher. Erst für das Kloster bestimmt, schickten ihn seine Eltern, da er zu jenem schlechterdings keine Lust bezeigte, (1710) nach Padua, um die Rechte zu studiren, wo er sich zugleich in der Fechtkunst sehr hervorthat. Allein bald fesselte ihn die Liebe zu einem jungen Mädchen so sehr, daß er sich mit ihr heimlich verheirathete, aber dadurch nicht nur seine Eltern, sondern auch des Mädchens Familie im höchsten Grad wider sich aufbrachte, so daß er, mit Zurücklassung seiner Frau, als Pilger verkleidet, sich nach Rom flüchten mußte. Im Minoriten-Kloster zu Aßißi nahm ihn endlich ein Verwandter auf, und hier blieb er einige Jahre gegen alle Nachstellungen versteckt. Aber eben diese Verstecktheit, in welcher er bleiben mußte, legte den Grund zu seiner musikalischen Vervollkommnung. Vom Pater Boemo noch höher unterrichtet, ward er der Violine immer mehr Meister. Man entdeckte ihn auch endlich; da aber unterdessen der Zorn [64] und die Verfolgung der Familie seiner Geliebten sich gelegt hatten, so kehrte er nach Padua zurück. Bald nach Venedig zu einer großen musikal. Akademie verschrieben, verließ er dieses, sobald er den berühmten Veracini aus Florenz hörte, sogleich wieder, ging nach Ancona, um hauptsächlich die Kunst des Bogens zu studiren, machte zugleich auch noch interessante Entdeckungen, und wurde endlich 1721 bei der Kirche des heil. Antonius zu Padua als erster Violinist angestellt. Allein schon 1723 folgte er, vielleicht durch häusliche Zufriedenheit eben nicht sehr beglückt, einem Rufe nach Prag zu Kaiser Carls VI. Krönung, wo er denn auch drei Jahre in Diensten des Grafen Kinski blieb, und sich hohen Ruhm und Beifall durch sein Violinspiel erwarb, in welchem er nachher durch Vortrag und Geschmack noch weit erstaunenswürdigere Fortschritte machte. Indessen war er nach jenen 3 Jahren wieder nach Padua zurückgekehrt, von wannen er durch keinerlei Versprechungen wieder weggebracht werden konnte. Hier errichtete er denn nun 1728 jene berühmte Musik-Schule, aus welcher eben so berühmte Schüler, von denen der größte Nardini war, hervorgingen, und zeichnete sich als trefflicher Mensch eben so sehr, wie als großer Künstler und vortrefflicher Lehrer aus. Allgemein geschätzt und allgemein betrauert starb er 1770. Als Violinspieler hat er unstreitig einen ganz vorzüglichen Rang, besonders weil er auf die Kraft des Bogens sein meistes Studium verwandte, und auch hierauf seine Schüler vorzüglich aufmerksam machte. Als Componist zeigte er sein Genie durch schöne Harmonie, durch originelle Gedanken u. s. w. Aber auch als Theoretiker zeichnete er sich besonders aus, indem er in seinen Werken (worunter ein für angehende Violinisten geschriebener Brief an die Sirmen eine wichtige Stelle einnimmt) große Kenntnisse und Erfahrungen in der Kunst an den Tag legt; und durch die Entdeckungen des dritten Klanges, der aus zween gegebenen Tönen erzeugt wird (oder des Mitklingens eines tiefen Tons, wenn zwei höhere consonirende angeschlagen werden), hat er sich um die Lehre der Harmonie kein geringes Verdienst erworben.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 64-65.
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