Armenien

[59] Armenien, ein in den alten Zeiten bekanntes, sehr großes Land in Asien, das aber heut zu Tage unter türkischer und persischer Botmäßigkeit steht. Man theilt das heutige Armenien gewöhnlich in zwei Theile, in das obere und untere Armenten. Jenes, das obere, auch Groß-Armenien, oder heut zu Tage gewöhnlich Turcomannia, auch Curdistan genannt, liegt zwischen Mesopotamien, Georgien, Medien und Klein-Armenien. Dieses aber, das untere oder Klein-Armenien (heut zu Tage gewöhnlich Aladuli oder Pegian genannt) hat Groß-Armenien, Syrien, das schwarze Meer und Cappadocien zu Grenzen. Armenien ist eins der schönsten, fruchtbarsten, gesündesten Länder in Asien, aber, obgleich südlicher gelegen, als die Kaukasischen Länder, dennoch wegen der vielen fruchtbaren, rings um gleichsam gemauerten Berge von außerordentlicher Kälte. An Korn und Früchten ist es reichlich gesegnet, wenn es gleich Wein entbehren muß; auch sind Honig, Seide, Silber, besonders gegen Servien zu, vorhanden. Eine Merkwürdigkeit von Armenien ist die, daß der höchste Berg dieses Landes, der Ararat, nicht der Mittelpunkt einer der großen, Armenien umgebenden Gebirgsketten ist, sondern einzeln in einer weit ausgedehnten Ebene dasteht. Er hat die Form eines Zuckerhuts, obgleich in zwei Spitzen gespalten, deren eine, der Hauptberg, das ganze Jahr hindurch bis zur Hälfte in ewigem Schnee begraben ist. Von den Armeniern selbst wird dieser Berg, den man für ganz unersteiglich hält, und dessen Ersteigung auch selbst dem berühmten Tournefort nicht gelingen wollte, göttlich verehrt, weil sie glauben, daß hier, als auf dem höchsten Gebirge, die Arche Noahs sich niedergelassen, und auch bis jetzt noch unter dem Schnee erhalten habe: sie küssen daher auch sogleich die Erde, sobald sie den Ararat erblicken. – Von der ältesten Geschichte dieses Landes ist nichts bekannt, und [59] es scheint, meistens als Beute des Siegers, bald unter den Assyriern, den Medern, Persern und Macedoniern gestanden zu haben. Nach Alexanders Tode wurde es ein Theil des syrischen Reichs, bis es durch Antiochus des Großen Niederlage in die Hände einzelner Statthalter fiel, und eben in zwei Theile, Groß- und Klein-Armenien, getheilt wurde. Jenes, Groß-Armenien, war mehrern Anfechtungen ausgesetzt, und Römer und Parther kämpften lange um das Recht, in Armenien den Thron zu besetzen, und bald herrschten parthische Prinzen, bald die von den Römern Begünstigten, bis endlich Trajan es zur Römischen Provinz machte. Indessen wußte Armenien sich bald wieder frei zu machen, und hatte wieder eigne Könige. Trotz dem, daß ein Partherkönig, Sapor, sich es unterwürfig machen wollte, mußte er doch weichen, und Armenien blieb bis 650 frei, wo die Araber es eroberten. So wechselten immer wieder neue Beherrscher, unter denen ein Dschingisehan, ein Tamerlan waren; bis 1552 hatte es persische Beherrscher, wo es Selim II. größtentheils den Türken unterwarf, unter welchen es auch geblieben ist. – Klein-Armenien hatte ebenfalls mehrere Beherrscher, unter denen Mithridat zuerst bekannt ist: diesem nahm es Pompejus und gabs dem Dejotarus u. s. f. Beim Verfalle des Römischen Reichs in Osten wurde Klein-Armenien von den Persern erobert, die es auch den Arabern (650) abtreten mußten, von wo an es gleiches Schicksal mit Groß-Armenien hatte, bis es 1514 von Selim I. zur türkischen Provinz gemacht wurde.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 7. Amsterdam 1809, S. 59-60.
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