Fr. Anton Boißy d'Anglas

[129] * Fr. Anton Boißy dʼAnglas, eigentlich Parlaments-Advokat, wurde hauptsächlich bei den Unruhen, die am 1. Prairial (20 Mai 1795) in Paris ausbrachen, berühmt. Der Convent hatte in jener Periode noch mit dem Jacobinismus zu kämpfen, und [129] sah sich in dem Saale seiner Sitzungen von Unruhstiftern umlagert. Eine große Anzahl Conventsdeputirten, welche ehedem zur Bergparthei gehört hatten, waren mit diesem Gesindel einverstanden, und forderten es zum Mord ihrer Collegen auf. Schon war der Kopf des Repräsentanten Ferraud gefallen und an die Rednerbühne hingeschleudert worden. Boißy war gerade Präsident; ein Kerl drang wüthend auf ihn los, und wollte ihn mit seinem Säbel ermorden; aber er behielt seine gewohnte Fassungskraft, und hatte den Muth, seinen Posten zu behaupten, bis die Ruhe durch die Miliz wieder hergestellt wurde. In der Folge machte er sich durch den Bericht berühmt, den er im Namen der Commission, welche zur Abfassung der Constitution niedergesetzt war, im Convente am 23. Juni 1795 abstattete. Boißy besaß allgemeines Zutrauen, und wurde deswegen wieder zum Mitgliede im Rathe der 500 gewählt. Aber in der Folge kam er in den Verdacht des heimlichen Royalismus; man argwohnte sogar, daß er ein geheimer Agent des sogenannten Ludwigs XVIII. sei. Zwar machte er deshalb eine Vertheidigung bekannt, die aber bei Vergleichung mit seinem nachherigen nachsichtigen Betragen gegen die Emigranten und eidscheuen Priester doch den Verdacht, in den er gekommen war, nicht so ganz ablehnen konnte. Er wurde d. 4. Sept. 1797 arretirt und zur Deportation verurtheilt; doch wußte er zu entfliehen, worauf er auch am 9. Nov. 1799 wieder nach Frankreich zurückgerufen, im März 1801 zum Mitglied des Tribunals erwählt, und in der Folge (1805) Mitglied des Senats ward.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 7. Amsterdam 1809, S. 129-130.
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