Damon und Pythias

[257] Damon und Pythias, zwei Syrakuser, welche durch die edelste, unerschütterlichste Freundschaft, die zwischen ihnen Statt fand, berühmt geworden sind. Einst war Pythias unschuldig von Dionysius, dem Tyrann, zum Tode verurtheilt worden. Da er noch in einem benachbarten Orte sehr wichtige Geschäfte abzumachen hatte, so bat er um die Erlaubniß, vor seinem Tode erst diese abmachen zu dürfen, mit dem gewissen Versprechen, am Tage der Hinrichtung zuverlässig zu erscheinen, indem er seinen Freund Damon als Bürgen zurückließ. Dieser ging unterdessen an seiner Statt ins Gefängniß, und da unglücklicherweise Pythias zurückgehalten wurde, zur bestimmten Stunde zurückzukehren, so sollte nun Damon das Leben an seiner Statt verlieren. Schon wandelt dieser getrost, und in der festen Ueberzeugung, daß nur unüberwindliche Hindernisse seinen Freund zurückhalten, dem Richtplatze zu; das Volk fängt schon an, zu murren und den leichtgläubigen Damon zu beklagen, als auf einmal Pythias durch die Haufen des Volks hindurch-und seinem Freund in die Arme stürzt. Bei dem edelsten Wettkampfe unter beiden, da jeder für den andern [257] sterben will, zerfließt alles fast in Thränen, und Dionysius selbst tritt hinzu, begnadiget sie und bittet, ihn als den Dritten in diesen schönen Freundschaftsbund aufzunehmen. – Wem ist wohl die trefliche Ballade von Schiller: die Bürgschaft unbekannt, zu welcher jene Geschichte dem großen Dichter den Stoff hergab?

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 7. Amsterdam 1809, S. 257-258.
Lizenz:
Faksimiles:
257 | 258
Kategorien: