Friedrich Wilhelm Gotter

[400] Friedrich Wilhelm Gotter, einer unsrer klassischen Dichter, am 3. Sept. 1746 zu Gotha geboren. Früh schon äußerten sich die treflichen Anlagen seines Geistes und seine Neigung zur Poesie, vorzüglich zur dramatischen, indem er schon früh dramatische Versuche und Nachahmungen wagte. Im 18. Jahre ging er nach Göttingen, um die Rechte zu studiren; übte [400] aber nebenbei beständig sein poetisches Talent. Seine Liebe für die dramatische Kunst verband ihn mit der damals in Göttingen spielenden Ackermannischen Schauspielergesellschaft, nach deren Abgang er selbst ein kleines Gesellschafts-Theater veranstaltete, wo er sich zu einem solchen Grade ausbildete, daß er selbst gute Schauspieler übertraf Von Göttingen kehrte er 1766 nach Gotha zurück, zeigte sich bei seiner Anstellung als brauchbarer Geschäftsmann, und wurde 1767 als Legationssekretair nach Wetzlar geschickt; verließ aber diesen Posten und ging mit zwei jungen Edelleuten wieder nach Göttingen, wo er sich dem Publikum durch mehrere kleinere Gedichte im Göttingischen Musenalmanach bekannt machte. Von hier kam er wieder nach Wetzlar, wo die Bekanntschaft mit Göthe und Jerusalem seinem Geiste höhern Schwung und seinen Talenten eine bestimmtere Richtung für die Kunst gab. Er erhielt nach zwei Jahren eine Stelle in der geheimen Canzlei zu Gotha und arbeitete hier die berühmte Epistel über die Starkgeisterei aus. Diese Epistel, von einem innig und wahrhaft religiösen Geiste belebt, in einer bis jetzt ungewöhnlichen Gewandtheit der deutschen Sprache dargestellt, erwarb ihm die Herzen von tausend Lesern. Eine kurze Reise nach Frankreich ausgenommen, verlebte er von nun an seine ganze Zeit in Gotha, wo er zuletzt geheimer Sekretair ward. Die schönste Periode seines Lebens war die, wo Gotha eins der vortreflichsten deutschen Theater hatte, von 1774–1778. Er schenkte den würdigsten Mitgliedern der Gesellschaft, einem Eckhof, Brandes, Iffland, Beck, Großmann u. m. seinen nähern Umgang, wohnte ihren Studien bei, übte sich selbst mit ihnen in der Declamation und Mimik. Er versuchte sich jetzt in allen Gattungen der dramatischen Poesie, indem er zwar nicht selbst erfand und dichtete, sondern die Erfindungen anderer mit Geschmack, Kenntniß der innern und äußern Oeconomie des Theaters, mit einem leichten Dialog und genauer Einsicht und Selbstübung im Practischen der dramatischen Kunst verarbeitete. Unter seinen Schauspielen zeichnen sich die aus dem [401] Französischen übersetzten aus, als: Electra, Merope und Aleire; unter den Opern, von denen einige mehrern und zwar den besten Tonkünstlern herrliche Compositionen verdanken, Medea, Walder, Romeo und Julie, die Geisterinsel u. a. m.; überdies erschienen von ihm viele Nachbildungen und Uebersetzungen französischer, englischer und italiänischer Muster. Bescheidenheit und Streben nach möglicher Vollendung erlaubten Gottern erst 1787, eine Sammlung seiner Gedichte herauszugeben. – Gotter war im eigentlichen Sinne nicht Dichter und schaffender Genius, wie sowohl die vielen Uebersetzungen und Nachbildungen, als auch seine eignen Gedichte, an denen er sehr lange zu feilen pflegte, beweisen; er besaß hingegen die größte Fertigkeit in dem Technischen der Kunst, große Gewandtheit der Sprache und feinen Geschmack. In Hinsicht seines Charakters wurde er von vielen, wegen einiger Sonderbarkeiten und Abweichungen vom Gewöhnlichen, verkannt, ob er gleich in allen den Fällen, wo der wahre Charakter des Menschen rein hervorzutreten pflegt, eine edle und schöne Seele, ein reines und liebevolles Herz, Großmuth, Billigkeit und Gefälligkeit bewies. Er war überdies einer der angenehmsten und unterhaltendsten Gesellschafter. Mit männlichem Muthe ertrug er die Schmerzen einer schweren Krankheit, an der er 1797 im 53. Jahre starb.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 7. Amsterdam 1809, S. 400-402.
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